Jeder kennt vermutlich mindestens ein Meme für das Katastrophenjahr 2020. Doch es gibt auch Positives: Die Ereignisse im Jahr 2020 haben uns daran erinnert, worauf es im Leben wirklich ankommt. Wir haben unsere Erwartungen angepasst und darüber nachgedacht, für welche Werte wir in Zukunft eintreten.
Für mich als Privatperson und auch als Werbetreibenden macht es Sinn, das Jahr als Neuanfang zu betrachten. Das verleiht mir in einer ansonsten deprimierenden Zeit neue Energie und Entschlossenheit. Marken wie Google, Snickers oder Nike haben die Chance erhalten, die eigenen Grundwerte zu überdenken. Wofür stehen wir als Marke tatsächlich? Schöpfen wir unser Potenzial aus? Nutzen wir unsere Zeit, unsere Mitarbeiter und Budgets wirklich optimal? Richten wir uns intern und extern immer nach unseren eigenen Werten? Sprechen wir potenzielle Kunden mit relevanten Botschaften an?
Die Grundlagen des Storytelling bleiben dieselben. Daran ändert auch die momentan schwierige Lage nichts.
Mit dem letzten Punkt haben einige Werbetreibende Schwierigkeiten. Wie spricht man in Ausnahmezeiten wie diesen seine Kunden an? Ändert sich in einem so schwierigen Jahr das Erfolgsrezept für gutes Storytelling? Wandelt sich der Tonfall von Marketingbotschaften und -Creatives?
Die Grundlagen des Storytelling bleiben dieselben. Daran ändert auch die momentan schwierige Lage nichts. Die besten und einprägsamsten Geschichten wurzeln immer in Grundwahrheiten des menschlichen Lebens und verbinden diese mit dem, wofür die Marke steht und was sie bietet. Doch angesichts des umfassenden Wandels, der beispielsweise durch die Corona-Krise und die wieder erstarkte Black-Lives-Matter-Bewegung ausgelöst wird, müssen Unternehmen neu bewerten, wie sie ihre Botschaften so aufbauen, dass potenzielle Kunden sich angesprochen fühlen. Dabei kommt es vor allem auf drei Punkte an: Einfühlungsvermögen, Verantwortungsbewusstsein und Aktualität. Ein neuer 30-Sekunden-Spot mit einer simplen „Gemeinsam sind wir stark“-Botschaft erfüllt diese Punkte sicherlich nicht. Generisches Storytelling nach diesem Muster, mit sich endlos wiederholenden Durchhalteparolen, gab es bereits massenweise in der Anfangszeit der Pandemie.
Auf Einfühlungsvermögen kommt es an – und auf ein einzigartiges Markenversprechen
Nehmen wir das „Never Too Far Down“-Creative von Nike. Hier werden die wichtigsten Elemente perfekt miteinander verbunden. Vor dem Hintergrund einer bedrückenden und sich zuspitzenden globalen Pandemie setzte Nike geschickt auf das Beispiel des sportlichen Comebacks, um uns zu inspirieren und uns Zuversicht zu verleihen. Das Creative trifft als natürliche Erweiterung der zentralen Markenwerte ins Schwarze, weil die Gefühle und Hoffnungen der Menschen reflektiert werden. Die Clips sind „typisch Nike“ und enthalten kraftvolle Statements zur aktuellen Lage.
Allerdings ist erfolgreiches Storytelling nicht nur auf Videos beschränkt. Obwohl wir bei Google Wert auf einfallsreiches Storytelling legen und die Ansprache von Kunden kontinuierlich anpassen, haben die diesjährigen Ereignisse eine ganz besondere Dynamik entfacht. Am Anfang der Pandemie wurden wir beispielsweise unserer zentralen Markenpositionierung gerecht, indem wir unsere Follower durch neue Angebote unterstützten. Mit der Reihe „Wöchentliche Trends“ informierten wir nicht nur über den aktuellen Fortgang der Corona-Krise, sondern verbanden diese Trends mit Anleitungen (per YouTube-Video) für praktische Dinge wie die Herstellung von Masken oder dem Backen von Brot.
In ähnlicher Weise führte unsere Kampagne zur Unterstützung lokaler Unternehmen dazu, dass Nutzer mithilfe unserer Produkte wieder nach solchen lokalen Geschäften suchten. Dieses soziale Programm war eine neue Methode, um Informationen zum Nutzerverhalten, Leistungsversprechen und kontextuelle Relevanz miteinander zu verknüpfen. Und während bei Nike die Kombination aus Markenwert und Einfühlungsvermögen die Hoffnung der Nutzer stärkte, setzte Google auf eine sinnvolle Verbindung von Inspiration und Anleitung.
Den richtigen Ton in der aktuellen Lage treffen
Dann wäre da noch der richtige Ton. Ein schwieriges Jahr ist noch lange nicht das Ende des Optimismus. Marketing richtet sich an Menschen, also an komplexe Wesen mit unterschiedlichen Einstellungen und Bedürfnissen. Dasselbe gilt für Marken. Während ihre Botschaften zu Beginn des Jahres eher ernst oder sogar betroffen waren, verbreiteten sie in der zweiten Jahreshälfte auch wieder positivere Stimmung. Manchmal sind Creatives mit einer ernsthaften Tonalität die richtige Wahl. In anderen Fällen kommt es wieder mehr auf Leichtigkeit und Optimismus an.
Gelungenes Marketing und Storytelling sind immer eine Mischung aus Kunst und Wissenschaft.
Das aktuelle Google-Creative Return of the Macks ermuntert Nutzer mit Geradlinigkeit und einem Schuss Humor dazu, kleine Unternehmen zu unterstützen. Bei diesem Creative wird die Unterstützung lokaler Unternehmen dagegen auf einfühlsame und herzliche Weise vermittelt. Und dann wäre da noch Snickers, die Marke, die wieder gekonnt mit einem Augenzwinkern auftritt: Das „First Visitors“-Creative nutzt seinen Slogan „Du bist nicht du, wenn du hungrig bist“, um uns humorvoll aufzuzeigen, worauf bei der Rückkehr zum persönlichen Kontakt geachtet werden sollte.
Gelungenes Marketing und Storytelling sind immer eine Mischung aus Kunst und Wissenschaft. Wenn wir uns an die grundlegenden Prinzipien erinnern, ist die Kunst der interessanteste und erfüllendste Aspekt unserer Arbeit – und zwar nicht trotz der schwierigen Umstände, sondern gerade wegen ihnen.