Am 8. März wird weltweit der internationale Frauentag begangen. Das ist ein guter Anlass, in unserer Gesellschaft einmal genauer hinzusehen: Wie ist es um die Gleichberechtigung bestellt?
Der Weg nach oben auf der Karriereleiter ist für Frauen immer noch beschwerlicher als für ihre männlichen Kollegen. Studien zufolge sind weniger als ein Drittel der Führungspositionen weltweit von Frauen besetzt. Und laut dem Weltwirtschaftsforum erhalten weibliche Mitarbeiter nur 63 Prozent des Einkommens, das Männer für vergleichbare Posten bekommen. Außerdem wäre da noch das Thema Selbstpräsentation. Im Durchschnitt bewerben sich Männer um eine Stelle oder Beförderung, wenn sie nur 60 Prozent der geforderten Voraussetzungen erfüllen. Frauen wagen einen solchen Schritt hingegen erst, wenn alles zu 100 Prozent passt. Allerdings zeigen neueste Studien auch, dass Frauen, die sehr selbstbewusst auftreten, kritischer beurteilt werden.
Ich habe weltweit mit weiblichen Marketing-Führungskräften bei Google über ihren beruflichen Werdegang und die Hindernisse im Arbeitsalltag gesprochen. Außerdem habe ich sie gefragt, was sie Frauen – bzw. anderen im Allgemeinen –, die an ihrer Karriere feilen, raten.
Es ist nie zu spät, dazuzulernen
Sapna Chadha wollte schon immer global arbeiten. Ihren Umzug aus den USA nach Asien bezeichnet sie als einen der wichtigsten Meilensteine ihrer Karriere. Sie sagt allerdings auch, dass sie diesen Schritt nicht wirklich geplant hat. "Eigentlich sind wir umgezogen, weil mein Mann aus beruflichen Gründen nach Asien gehen musste", berichtet Chadha und fragt sich: "Äußern wir Frauen unsere Bedürfnisse vielleicht nicht deutlich genug?"
Ihr Rat lautet: "Nehmen Sie aktiv Einfluss auf Ihre Karriere, anstatt darauf zu warten, dass andere für Sie entscheiden. Wenn Sie selbst nicht wirklich wissen, was Sie möchten, vergeuden Sie zu viel Zeit damit, alle Optionen auszuloten." Und sie fügt hinzu: "Ich habe festgestellt, dass ich eine Rangliste mit meinen Wunschjobs für die nächsten Jahre brauche. Und vor allen Dingen möchte ich mich auch auf Stellen bewerben, deren Anforderungen ich nicht vollständig erfülle."
Um in den kommenden 10 Jahren im Marketing erfolgreich zu sein, so ergänzt Chadha, müsse man sich darüber im Klaren sein, dass an einem gewissen technischen Verständnis kein Weg vorbei führt. Die Markenwerbung habe zwar einen großen Stellenwert, Leistung, Wachstum und digitales Marketing seien aber unentbehrlich. Chadha meint: "Frauen fehlt häufig das Selbstvertrauen, wenn es um technische Dinge geht. Deshalb lassen sie lieber gleich die Finger davon. Man kann aber zu jeder Zeit im Leben alles lernen. Wenn wir vor Marketingtechnologien zurückscheuen, können wir unser Potenzial nicht voll ausschöpfen."
Wert auf die Kollegen und das richtige Arbeitsumfeld legen
Kristell Rivaille ließ sich bei der Entscheidung für ihren ersten Marketingjob von einem Schild in der Toilette beeinflussen. Als sie bei einem Vorstellungsgespräch war, ist ihr das allgemein übliche Hinweisschild aufgefallen, keine Papierhandtücher in die Toilette zu werfen. Anders als sonst war darauf aber auch eine Begründung zu lesen: Handtücher lösen sich im Gegensatz zu Toilettenpapier nicht auf, wenn sie nass sind. "Mir gefällt es nicht, wenn mir andere einfach nur sagen, was ich zu tun habe", sagt Rivaille. "Ich möchte lieber mehr über die Hintergründe erfahren und von meiner Arbeit überzeugt sein." Der Job damals war eigentlich nicht ihre erste Wahl, aber wegen des Schildes in der Toilette hatte sie den Eindruck, in dem Unternehmen würde selbstständiges Denken und ein offener Umgang miteinander großgeschrieben.
"Sich den nächsten Karriereschritt gut zu überlegen, ist wichtig", sagt Rivaille. "Wenn Sie aber auf Ihr Bauchgefühl hören, erzielen Sie die besten Ergebnisse. Denn dann stehen Sie wirklich hinter der Arbeit und bringen Ihre Leidenschaft, Energie und Kreativität ein." Sie rät dazu, bei der Jobsuche nicht nur auf die Marke und das Produkt zu achten, sondern auch darauf, dass die Chemie im Team stimmt und Sie sich in Ihrem Arbeitsumfeld wohlfühlen.
Rivaille weist außerdem auf die Bedeutung von Selbstbewusstsein und emotionaler Intelligenz hin. "Wenn Sie sich Ihrer Stärken und Schwächen sowie Ihrer Wirkung auf andere bewusst sind, können Sie sich besser auf verschiedene Umstände und Kollegen einstellen. In manchen Situationen mag Durchsetzungsvermögen wichtig sein, bei anderen Gelegenheiten ist es dann wiederum angebracht, einfach den Mund zu halten und zuzuhören."
Immer dazulernen und die Komfortzone verlassen
Susana Ayarza findet, Frauen sollten ihre Bedürfnisse im Arbeitsalltag deutlich äußern. Allerdings fragt sie sich auch, ob die Menschen sich zu sehr auf Titel und Aufstiegschancen konzentrieren, anstatt auf ihre persönliche Entwicklung. "Natürlich haben Beförderungen einen entscheidenden Anteil daran, dass man in der Karriere vorankommt. Aber genauso wichtig ist es, dazuzulernen und seine Komfortzone zu verlassen."
Ayarza denkt daran zurück, wie sie vor vielen Jahren zugestimmt hat, von ihrer Arbeitsstelle in Brasilien aus ein internationales Team zu leiten. Sie wurde nicht wirklich befördert, für sie fühlte es sich aber so an. "Es war eine völlig neue Erfahrung für mich und ich konnte von Menschen aus verschiedenen Kulturen lernen. Dadurch hatte ich die Chance, mich weiterzuentwickeln. Ohne diese Erfahrung wäre ich nicht die Führungskraft geworden, die ich heute bin."
Ihren Erfolg führt Ayarza zum Teil darauf zurück, dass sie ihre Karriereziele neu definiert hat. Noch vor einigen Jahren wollte sie eine Spitzenkraft im Marketing werden. Ihre Prioritäten haben sich seitdem aber geändert. Jetzt möchte sie mehr bewirken und Spuren hinterlassen. Anderen rät sie: "Wenn Sie älter werden, denken Sie nicht mehr an die Zahlen, Projekte und Initiativen zurück, die Ihr Unternehmen vorangebracht haben. Sie erinnern sich vielmehr daran, was Sie in der Gesellschaft und bei Ihren Mitmenschen bewirkt haben."
Das Beste geben, ohne vollkommen sein zu müssen
Michelle Bryan-Low nahm sich einmal eine siebenjährige Auszeit von ihrer Karriere, ist nach Frankreich gezogen und hat dort ein Anwesen für Wildschweinjagden betrieben. "Ich habe dadurch sehr an Lebenserfahrung gewonnen. Das wäre anders gewesen, wenn ich durchgängig in Unternehmen gearbeitet hätte." Die Jahre in Frankreich haben ihr zwar viel gebracht, der Schritt zurück in ihren eigentlichen Beruf ist ihr danach jedoch nicht leicht gefallen. "Ich habe das Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten und mein Potenzial verloren."
Bryan-Low schätzt sich glücklich, dass ihr früherer Arbeitgeber sie wieder eingestellt und ihr die Möglichkeit gegeben hat, in einem vertrauten Job ihr Selbstbewusstsein neu aufzubauen. Sie kann aber nachvollziehen, wie schwierig es für Frauen ist, aus der Elternzeit oder einem Sabbatjahr zurückzukehren und die Karriere mit dem Familienleben zu vereinbaren. "Irgendwo müssen sie immer Abstriche machen. Sie möchten für die Kinder da sein und fühlen sich schuldig, wenn sie in ihrer Arbeit aufgehen."
Bryan-Low meint weiter: "Wir müssen uns eingestehen, dass wir nicht Superwoman sind. Wir stecken uns viel zu unrealistische Ziele." Und sie rät Frauen in ihrem Team, nicht so hart mit sich ins Gericht zu gehen. "Sie müssen nicht perfekt sein. Versuchen Sie nicht, alles zu erreichen. Geben Sie einfach Ihr Bestes, ohne vollkommen zu sein."
Verantwortung für die eigenen Entscheidungen übernehmen
Früher hatte Kazuha Okuda einen Job, in dem sie unterfordert war. "Mir wurden immer Aufgaben zugewiesen, bei denen ich anderen zuarbeitete. Ich bekam nie eine Führungsrolle, obwohl ich dem gewachsen gewesen wäre." Je länger sie sich in dieser Situation befand, desto mehr arrangierte sie sich damit. "Wenn Sie sich einmal an etwas gewöhnt haben, hinterfragen Sie es nicht weiter. Sie passen sich der Schublade an, in die Sie gesteckt wurden."
Schließlich fand sie heraus, dass ihre männlichen Kollegen viel häufiger bedeutende Projekte bekamen. "Ich war geschockt. Wieso hatte ich es so weit kommen lassen? Ich plante also, das Team zu verlassen, in einer Führungsrolle neu anzufangen und mir andere Ziele zu setzen. In meiner Karriere kam es zum entscheidenden Wendepunkt, weil ich die Dinge selbst in die Hand genommen und mein Arbeitsumfeld aktiv verändert habe."
Jetzt folgt Okuda ihrem persönlichen Motto: die Welt verbessern. "Ehrgeizige Ziele helfen mir, in meiner Karriere auf Kurs zu bleiben. Ich überlege mir genau, welche Projekte ich übernehme und mit wem ich zusammenarbeite." Anderen rät sie: "Es ist in Ordnung, wählerisch zu sein. Schließlich müssen Sie sich Ihren Weg selbst bahnen und Verantwortung für Ihre Entscheidungen übernehmen."
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