Unternehmen müssen mit der Digitalisierung Schritt halten, um nicht den Anschluss zu verlieren. Aber das Problem, sich auf den Wandel einzustellen, gibt es seit jeher. Schon 1809 schrieb Charles Darwin: "Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern diejenige, die am ehesten bereit ist, sich zu verändern." Und da der technologische Fortschritt immer schneller voranschreitet, ist diese darwinsche Regel heute relevanter denn je. Wie können Chief Marketing Officers sich diesen Herausforderungen stellen und vorbildhaft für andere Unternehmen den Wandel angehen?
1. Kundenorientierung als oberstes Ziel
Einer der Schlüsselfaktoren für den Erfolg heutiger Spitzenunternehmen ist eine einheitliche Kundenerfahrung an allen Touchpoints. Was bedeutet das für Sie und andere Führungskräfte in Ihrer Firma? Ganz einfach: Die Organisationsstruktur sollte einer erfolgreichen Interaktion mit Kunden nicht im Weg stehen und in ihrem Kaufprozess keine Rolle spielen.
Team-KPIs haben einen starken Einfluss auf die Kundenerfahrung. Beispielsweise lautet die Vorgabe in vielen E-Commerce-Abteilungen, den Onlineumsatz anzukurbeln, während die für den stationären Einzelhandel zuständigen Teams den Offlineumsatz steigern sollen. Aber Kunden kaufen sowohl online als auch im Ladengeschäft ein und erwarten einen nahtlosen Übergang zwischen beiden Kanälen. "Bei einem kundenorientierten Ansatz dreht sich der Erfolg nicht nur um eine einzige Leistungskennzahl. Vielmehr muss genau die Gruppe von KPIs gefunden werden, die Abteilungen dazu anhält, den gesamten Kaufprozess im Blick zu haben und nicht nur den eigenen Kunden-Touchpoint", erläutert Joris Merks, Head of Programmes bei der Google Digital Academy. Die Führungskräfte in Ihrem Unternehmen koordinieren die Arbeit aller Teams, sodass Sie es in der Hand haben, mit den richtigen KPIs ein abteilungsübergreifendes und erfolgreiches Kundenmanagement zu etablieren.
Ein mit dieser mangelnden Transparenz zusammenhängendes Problem ist, dass sich die diversen internen Teams mit verschiedenen Teilen des Kaufprozesses beschäftigen und dazu neigen, eigene Technologieentscheidungen zu treffen, ohne sich mit den anderen Gruppen abzusprechen. Je weniger die Abteilungen zusammenarbeiten, desto schlechter ist die Kundenerfahrung. Merks rät: "Technologieentscheidungen, die dazu beitragen, nach außen als eine Gesamtheit aufzutreten, und die eine 360-Grad-Ansicht des Kunden über alle Geschäftsbereiche hinweg ermöglichen, sollten auf einer oberen Führungsebene getroffen werden. Nur so können die Systeme entlang des gesamten Kaufprozesses vereinheitlicht werden."
Nehmen wir z. B. die Tag-Kennzeichnung. Wenn in allen Abteilungsteams einheitliche Tags und Bezeichner verwendet werden, lassen sich fragmentierte Daten zu einem Gesamtbild zusammenfügen, sodass Sie den Kaufprozess Ihrer Kunden nachverfolgen können. Verwenden aber die für die Newsletter zuständigen Mitarbeiter ein anderes Tag als das Websiteteam, wissen Sie nie, ob eine Person mit beidem in Berührung gekommen ist. In den Daten handelt es sich scheinbar um zwei Nutzer, was dazu führen könnte, dass Sie einen treuen Stammkunden wie jemanden behandeln, der noch nie etwas bei Ihnen gekauft hat. In den Tags steckt ein enormes Potenzial, so klein und unbedeutend sie auch scheinen mögen. Sie sind ein gutes Beispiel dafür, dass bei internen Technologieentscheidungen die Kunden im Mittelpunkt stehen müssen.
2. In Sachen Technologie eine gemeinsame Sprache sprechen
Viele Unternehmen sehen sich vor die Herausforderung gestellt, die Lücke zwischen der Führungsebene und den Spezialisten zu schließen. Wenn man sich die technologischen Entwicklungen ansieht, fällt auf, dass neue Lösungen sehr fragmentiert sind und sich in einem Tempo weiterentwickeln, dass nur Spezialisten damit Schritt halten können. Das wäre kein Problem, wenn diese Experten sich allgemeinverständlich ausdrücken könnten, was aber oftmals nicht der Fall ist.
"Spezialisten kennen sich zwar meistens bis ins kleinste Detail mit der Technologie aus, sind jedoch nicht immer in der Lage, über die Grenzen des eigenen Teams hinauszudenken", gibt Merks zu bedenken. "Das ist die Aufgabe der Führungskräfte, denen es aber oft am richtigen technischen Verständnis fehlt. Wenn Spezialisten mit den Unternehmensleitern zusammenarbeiten, ist es viel einfacher, einheitliche Entscheidungen zu treffen." Fazit: Bringen Sie Spezialisten und Abteilungsleiter dazu, miteinander zu sprechen, laden Sie Technik- und Datenexperten zu den Meetings auf Führungsebene ein und betrachten Sie die Technologie nicht als notwendiges Übel und Kostenfaktor, sondern als Teil des Gesamtpakets für nachhaltigen Unternehmenserfolg. Um effektiv und nützlich zu sein, muss Technologie alle Bereiche des Unternehmens durchdringen und in eine Sprache eingebettet sein, die für alle verständlich ist.
3. Innovationskultur schaffen und fördern
Transformation ist kein Plan oder Programm, sondern vielmehr eine Kettenreaktion – ausgelöst durch kleine Tests. Jeder dieser Tests ist so unkompliziert, dass er sich sofort durchführen lässt, aber effektiv genug, um bisherige Arbeitsweisen in Frage zu stellen. Daher müssen Unternehmen Raum für Experimente schaffen, um unter den heutigen Bedingungen überleben und wachsen zu können.
Nur auf den ROI fokussierte Unternehmen dagegen stehen der Transformation im Weg. Woran liegt das? Der ROI aus kurzfristigen Zielen lässt sich einfacher quantifizieren als der für langfristige Vorhaben. Die alleinige Konzentration auf den ROI verzerrt also den Fokus und ist auch ein Hemmschuh für Innovationen, weil nichts Neues ausprobiert wird.
"Der ROI ist wichtig, da Sie damit das bestehende Geschäft optimieren können. Dies führt zu einem Mehrwert für Kunden und setzt Budget frei, das in die Zukunft investiert werden kann, erläutert Merks. "Riskant ist aber die Annahme, dass man die ROI-Messwerte genauso auf die Zukunft anwenden kann wie auf die Vergangenheit. Alle Vorhersagemodelle basieren auf bisherigen Daten und eignen sich daher nicht, um etwas zu prognostizieren, das sich so grundsätzlich von allem Bisherigen unterscheidet. Wenn Unternehmensleiter versuchen, die ROI-basierte Entscheidungsfindung auch bei der Planung zukünftiger Investitionen anzuwenden, geht Innovationspotenzial verloren. Alle Prozesse würden im Grunde einfach weiterlaufen wie bisher."
Mit anderen Worten: Wenn Ihre Mitarbeiter glauben, Sie nur mit einem präzise berechneten ROI von einem neuen Vorhaben überzeugen zu können, konzentrieren sie sich im Endeffekt immer auf kurzfristige Erfolge und geben innovativen Ideen keine Chance. Zwangsläufig werden sie mutige Investitionen in Projekte scheuen, die mit einer Lernkurve verbunden sind, sodass Ihrem Unternehmen der digitale Wandel nicht gelingen wird. Die Lösung: Verlassen Sie sich bei Ihren Entscheidungen nicht nur auf den ROI. Die Beurteilung eines Geschäftsszenarios kann auf messbaren Trends oder auf Erkenntnissen basieren. Wenn Sie in Bezug auf das Format und Konzept mehr Flexibilität bieten können, sind Menschen eher geneigt, in etwas zu investieren, das den Wandel vorantreibt.
Um den Pioniergeist zu fördern und die Transformation zu verwirklichen, sollten Sie ein Umfeld der Offenheit und eine Unternehmenskultur schaffen, in der Ideen gedeihen können. Stellen Sie Mitarbeiter ein, die vielseitig sind und den Wandel als Chance sehen. Schaffen Sie flache Hierarchien, die eigenverantwortliches Arbeiten ermöglichen. Stellen Sie die notwendigen Tools und Arbeitsplätze bereit, die die Zusammenarbeit mit anderen fördern und dazu beitragen, dass die jeweiligen Projekte in fließende Strukturen eingebettet werden.
4. Strategisches Denken und Handeln für eine zukunftsgerichtete Unternehmensentwicklung
Bei der digitalen Transformation gibt es immer auch Hindernisse. Das ist aber kein Grund, diesen Wandel NICHT zu vollziehen, denn sie sind nun einmal unausweichlich und müssen aus dem Weg geräumt werden. Tatsache ist, dass die digitale Transformation immer auch ein Mehr an Arbeit bedeutet, da die damit verbundenen Maßnahmen nie in vorhandene Prozesse und Strukturen passen oder man fast nie auf einer bestehenden Infrastruktur aufbauen kann. Darüber hinaus besteht auch ein weiteres Risiko: Wer die Dinge so handhabt wie bisher, kennt die Abläufe ziemlich genau und weiß, was das Endergebnis sein wird. Beschreitet man dagegen neue Wege, ist ungewiss, ob sich der Erfolg einstellen wird und wie groß die Auswirkungen sein werden.
Wenn Ihr Unternehmen die digitale Transformation meistern möchte, müssen alle Beteiligten bereit sein, mehr Arbeit und Risiken in Kauf zu nehmen, da sie dies für den richtigen Weg halten, den Sinn und Zweck dahinter verstehen und wissen, dass ihr Unternehmergeist Anerkennung finden wird.
Wie können Sie als Unternehmensleiter dieses innovationsfreudige Umfeld schaffen? Definieren Sie Vorgaben, damit sich Ihre Mitarbeiter auf die Zukunft konzentrieren können. Dazu gehört auch eine überzeugende langfristige Vision mit klar definierten Herausforderungen, an der man sich orientieren kann. Legen Sie dann Ziele fest und stellen Sie Tools bereit, die die Zusammenarbeit unter den Abteilungen erleichtern. Ermuntern Sie alle, miteinander zu kommunizieren, unabhängig von der Hierarchie oder Position in der Organisationsstruktur.
Schließlich sollten Sie das Experimentieren belohnen und das Testen und Lernen (auch aus Fehlern) fördern. Da man nur das messen kann, was man ausprobiert hat, muss es Anreize geben, damit Mitarbeiter innovative Ideen entwickeln und umsetzen. Einfache Dinge wie Prämien und Boni können eine große Wirkung haben, denn sie signalisieren, dass Unternehmergeist geschätzt und belohnt wird.
Sie als Leiter des Unternehmens müssen kein Technikgenie oder Futurist sein, um die digitale Transformation zu gestalten – aber Sie brauchen die notwendige Leidenschaft. "Am wichtigsten ist jedoch, dass Ihnen die Kunden am Herzen liegen und Sie Ihr Unternehmen auf den richtigen Weg bringen möchten", so Merks. "Und Sie müssen alle Beteiligten im Unternehmen mit ins Boot holen und sie von Ihrem Vorhaben überzeugen. Seien Sie bereit, für kurze Zeit besondere Anstrengungen zu unternehmen, um langfristig Ertragschancen zu sichern. All das kostet viel Energie, ohne dass sich ein sofortiger Erfolg einstellt. Depimiert es Sie, wenn alles unverändert nach demselben Schema abläuft? Und fühlen Sie sich geradezu elektrisiert, wenn alles im Umbruch ist? Dann sind Sie genau die richtige Person für diesen Job."
Bevor Joris Merks-Benjaminsen 2010 bei Google begann, arbeitete er in mehreren Medien-, Werbe- und Marktforschungsunternehmen. Er ist nun als European Head of Programmes für die Google Digital Academy tätig.
Seine neuen Denkweisen haben ihm die Auszeichnungen "Dialogue Marketer of the Year 2012" und "Best Marketing Book of the Year" für sein Buch "Online Brand Identity" beschert. Außerdem wurde Joris Merks 2013 als "Company Researcher of the Year" und "Cross Media Man of the Year in 2013" nominiert.
In Workshops und durch innovative Formate für digitales Lernen bringt die Google Digital Academy Werbetreibende, Manager, Strategen, Kreative, Datenexperten, digitale Spezialisten und Unternehmensleiter zusammen, um gemeinsam ihre Strategie für die (digitale) Transformation zu entwickeln.