Die virtuelle Realität (VR) eröffnet unendliche Möglichkeiten für das Storytelling. Aber viele stellen sich die Frage, wie einfach sich damit interessante und ansprechende Anzeigen erstellen lassen. Das Team hinter dem Google-Projekt Art, Copy & Code hat soeben einen VR-Film produziert, der optional mit einem Headset betrachtet werden kann, und möchte diese frischen Erfahrungen gern an experimentierfreudige Unternehmen weitergeben.
Virtuelle Realität wird immer beliebter, aber noch gibt es viele offene Fragen zur Umsetzung und dazu, wie mit dieser neuen Technologie eine breite Zielgruppe erreicht wird. Das Team hinter dem Google-Projekt Art, Copy & Code suchte nach Möglichkeiten, interaktive VR-Inhalte einfacher zu erstellen und mithilfe von WebVR über Chrome einer beliebig großen Zielgruppe zu präsentieren. Sehen Sie sich das VR-Filmexperiment Tabel an, bei dem der Zuschauer in der Mitte eines Restaurants sitzt, um sich blickt und dabei aktiv beobachtet, wie sich andere Handlungsstränge entwickeln.
Marcel Baker und Alexis Cox vom Projekt Art, Copy & Code haben beim Erstellen des VR-Films "Tabel" nützliche Erfahrungen gesammelt und geben uns hier einige Tipps.
Frage: Was genau ist "Tabel" und was war der Anlass für den Film?
Alexis: "Tabel" ist ein Videoexperiment, das mit der 360-Grad-Videotechnik erstellt wurde, um zu zeigen, welche kreativen Gestaltungsmöglichkeiten VR für das Filmemachen bietet. Als wird das Konzept für "Tabel" entwickelten, schwebte uns ein VR-Film vor, der einen Mittelweg zwischen passiver und interaktiver Wiedergabe darstellt. Wir hoffen, dass "Tabel" eine Inspiration für YouTuber ist, die narrativen und technischen Grenzen des VR-Storytellings auszuloten.
Frage: Wie unterscheidet sich "Tabel" von anderen VR- oder 360-Grad-Videos?
Marcel: In dem siebenminütigen Film entwickeln sich sechs Handlungsstränge gleichzeitig. Der Zuschauer kann sich im Raum umblicken und entscheiden, welcher Geschichte er zuhören möchte, indem er in die Richtung eines Darstellers im Film sieht. Somit entsteht der Eindruck, er habe Ohren wie ein Luchs und könne die verschiedenen Unterhaltungen im Restaurant "belauschen".
Dieses Experiment wurde mit einer Audiotechnik erstellt, die die verschiedenen Videoebenen zusammen mit neun Audiokanälen überlagert. Und mit sechs davon kann der Nutzer interagieren, indem er sich umblickt.
Frage: Bei VR denken die meisten, dass zum Betrachten der Inhalte ein Headset notwendig ist. Warum ist das hier nicht zwingend der Fall? Und wie haben Sie das umgesetzt?
Marcel: Wir wollten jedem Smartphone-Besitzer die Möglichkeit geben, in die virtuelle Welt einzutauchen, sei es mit oder ohne VR-Headset. Wir haben versucht, so viele Einstiegshürden wie möglich aus dem Weg zu räumen, da die meisten Menschen noch nie mit VR in Berührung gekommen sind. "Tabel" wurde mit dem browserbasierten WebVR-Standard erstellt, das heißt, der Film kann über den Browser Chrome auf Desktop-Computern und Mobilgeräten gestreamt oder mit einem Headset (Google Cardboard, Daydream View oder HTC Vive) noch intensiver erlebt werden. WebVR ist ein offener Standard, der die Darstellung von VR in einem Browser ermöglicht. Wir entschieden uns für WebVR, um den Zugang zu "Tabel" so einfach wie nur möglich machen.
Frage: Warum sollten Unternehmen Ihrer Meinung nach unbedingt in VR und 360-Grad-Videos investieren? Ist VR-Werbung das nächste große Ding?
Alexis: In der VR-Werbung schlummert ein enormes Potenzial, das bisher noch nicht ansatzweise ausgeschöpft ist. Stellen Sie sich vor, Sie könnten für eine Marke eine virtuelle Welt erschaffen, in die der Nutzer einfach eintauchen könnte. Das ist eine einmalige Chance für Unternehmen, die weit über herkömmliche Werbung hinausgeht. Wie würde diese Welt aussehen? Wie würde es sich anfühlen, die Umgebung zu erkunden und sich darin zu bewegen? Mit dieser neuen Technik können Kreative ein hautnahes Erlebnis schaffen, das diese Fragen beantwortet. VR eröffnet Unternehmen eine völlig neue Welt (im wahrsten Sinne des Wortes). Eine Welt voller Möglichkeiten, in die sie ihre Kunden einladen können.
Stellen Sie sich vor, Sie könnten für eine Marke eine virtuelle Welt erschaffen, in die der Nutzer einfach eintauchen könnte – das ist eine einmalige Chance für Unternehmen.
Frage: VR ist so neu, dass es noch kein Patentrezept zum Erstellen virtueller Inhalte gibt. Welche überraschenden Erkenntnisse haben Sie gewonnen, die vielleicht auch für andere VR-YouTuber interessant sind?
Alexis: Die wichtigste Erkenntnis war, dass es für die VR-Storytelling-Techniken so gut wie keine Standards gibt. Wir mussten viele Prozesse und Methoden bei der Produktion selbst erfinden. Bei der Ideenfindung stellte sich heraus, dass es wichtig war, Kreativdesigner in das anfängliche Brainstorming einzubeziehen. Noch bevor das Skript geschrieben war, ist uns gemeinsam die Idee für eine Audiotechnik gekommen, die es uns ermöglichte, sechs parallele Handlungsstränge zu erzählen. Die Geschichte und das Konzept für die Audiotechnik wurden gleichzeitig entwickelt.
Beim Drehen eines 360-Grad-Videos können weder die Beleuchtung noch die Crew oder der Regisseur versteckt werden.
Marcel: Ein weiteres Beispiel war das Filmen selbst. Die Gestaltung des Sets für ein 360-Grad-Video und die Regie sind anders als bei einem normalen Film. Wir haben "Tabel" mit Odyssey, der Jump-Kamera von Google und GoPro gefilmt, einem System mit 16 GoPro-Kameras. Somit erhielten wir eine Rundumsicht des Sets. Beim Drehen eines 360-Grad-Videos können weder die Beleuchtung noch die Crew oder der Regisseur versteckt werden. Wir haben jede Szene mehrmals gedreht, da wir uns keine Livevorschau der gesamten 360-Grad-Szene ansehen konnten. Es gibt also reichlich Gelegenheit für Unternehmen, dazu beizutragen, dass für VR, dem neuen Storytelling-Medium, Regeln definiert werden. Wir sind gespannt auf die Erfahrungen, die bald berichtet werden.