Stuart Bowden ist Global Chief Strategy Officer bei Wavemaker, dem zweitgrößten Netzwerk von Mediaagenturen weltweit. Er berichtet, welche Projekte aus der Kategorie "Data Creativity" ihn beim Cannes Lions Festival besonders beeindruckt haben und was solche Ideen für die Entwicklung der Werbebranche bedeuten.
Daten und Kreativität ließen sich bisher scheinbar schwer miteinander vereinbaren. Es gab zwei Standpunkte: Die einen finden, dass Daten die Kreativität bremsen. Die anderen sind der Meinung, dass sich die Kreativität mithilfe von Daten besser entfalten kann.
2018 gab es beim Cannes Lions Festival in der Kategorie "Data Creativity" 500 Beiträge. Die Diskussion über eine mögliche Koexistenz von Daten und Kreativität hat sich damit in meinen Augen erledigt.
In der heutigen datengetriebenen Zeit kämpfen viele Kunden und Agenturen damit, über kurzfristige Projekte, den letzten Klick und den schnellen Gewinn hinauszudenken. Da hat es gut getan, in der Kategorie "Data Creativity" Projekte zu sehen, die schnell umgesetzt wurden und trotzdem kreativ und humorvoll sind. Noch mehr gefreut hat mich jedoch, dass es in der Werbebranche so viele talentierte Köpfe gibt, die das Zeug dazu haben, Unternehmen groß zu machen.
Ich möchte Ihnen hier die Arbeiten vorstellen, die mir auch nach dem Festival noch länger in Erinnerung bleiben werden.
1. Kurzfristige Projekte können mit Daten mehr Spaß machen
"The World's First Baby Marathon" von Kimberly-Clark, Südafrika
Sicher kennen Sie das Phänomen der beliebten Katzenvideos. Während die Besitzer bei der Arbeit sind, wird aufgenommen, was die Tiere alles anstellen. Genau auf diesem Prinzip beruht auch "The World's First Baby Marathon". Statt Katzen wurden hier jedoch vier entzückende Babys mit Schrittzählern ausgestattet und gefilmt. Dann wurde in Echtzeit verfolgt, welches als Erstes die 21-Kilometer-Marke erreicht. Im Video sieht man deutlich, wie sehr kleine Kinder beim Krabbeln mit dem Po wackeln und dass sie deshalb unbedingt die dehnbaren und bequemen Windeln von Huggies brauchen.
Bemerkenswert daran ist Folgendes: Aus dem Alleinstellungsmerkmal eines Produkts und einem einfachen Brainstorming kann ein kleiner Geniestreich entstehen, der sich schnell umsetzen lässt und bestens funktioniert. Sie nehmen einfach Ihre Daten, fügen einige spielerische Elemente hinzu und schon haben Sie ein virales Video. Die Ergebnisse des Projekts sprechen für sich: Es wurden 29 % mehr Verkäufe bei einem ROI von 29:1 erzielt.
Auswirkungen auf das Branding: Das bedeutet nicht, dass alle Unternehmen jetzt nur noch mit niedlichen Babys werben müssen, sondern einfach, dass mithilfe von Daten auch kurzfristige Projekte Spaß machen können.
2. Kontext + Daten = personalisierte Werbung = pures Vergnügen
"Data Into Dollars" von Xfinity Mobile, USA
Phantastisch! Fast ein bisschen ärgerlich, dass ich nicht darauf gekommen bin. Trotzdem freue ich mich über dieses Projekt.
Die Idee ist einfach: Mobile Daten in den USA sind teuer. Da sich die genauen Kosten aber nicht einfach bestimmen lassen, wird dies allgemein so hingenommen. Die genialen Köpfe bei Goodby Silverstein & Partners berechneten die Datenmenge, die nötig ist, um 2.000 beliebte YouTube-Videos abzuspielen, bestimmten das vom Nutzer verwendete Netzwerk und schalteten eine personalisierte Pre-Roll-Videoanzeige, in der deutlich wurde, wie viel günstiger es wäre, sich das Video auf Xfinity anzusehen.
Bemerkenswert daran ist Folgendes: Aus Kontext, Daten und einem häufig ungünstig eingesetzten Anzeigenblock entsteht eine lustige und gut gemachte personalisierte Werbung, die dem Nutzer wirklich weiterhilft. Und das Ergebnis: Das Suchvolumen für Xfinity hat sich in den USA verdreifacht. Damit lässt sich vielleicht sogar so viel Geld sparen, dass davon die Getränkerechnung in Cannes bezahlt werden kann.
Bedeutung für das Branding: Der personalisierten Werbung gehört die Zukunft. Ich bin gespannt, welche cleveren Ideen andere Unternehmen haben, Kontext und Daten miteinander zu kombinieren.
3. Durch die Kombination von Kreativität und Daten ist alles möglich
"The Ripple Effect Generator" von DNB, Norwegen
Bei diesem Projekt der norwegischen Bank DNB konnten Unternehmen anhand von öffentlichen Finanzdaten in automatisierten, personalisierten und sehr unterhaltsamen Filmen zeigen, wie viel Positives durch die von ihnen gezahlten Steuern möglich ist. Die Filme können über soziale Netzwerke bekannt gemacht werden.
Bemerkenswert daran ist Folgendes: Wenn Sie nicht für B2B-Kunden arbeiten möchten, verpassen Sie etwas. Es zeugt von Einfallslosigkeit, sich lieber mit dem Coca Cola-Konto zu beschäftigen als mit Kunden aus dem Finanzsektor. Banken haben riesige Datenmengen und bieten ein Produkt, für das sich viele Menschen wirklich interessieren: Geld. Die B2B-Projekte von Banken sind aber meist nicht sehr ansprechend und häufig etwas langweilig. Dieses hier jedoch nicht. Es ist wirklich toll.
Bedeutung für das Branding: Der Schlüssel liegt darin, Kreativität und Daten gleichwertig zu behandeln.