Professor David Slocum ist Academic Director bei Rare, einer Google-Plattform, die unterrepräsentierte Talente fördert und die Inklusionskultur in Unternehmen verbessert. Hier gibt er praktische Tipps zum Einstellen und Binden von Mitarbeitern unter dem Gesichtspunkt der Diversität sowie zum Erstellen relevanterer Kampagnen im Rahmen dieses Prozesses.
Homogene Teams produzieren homogene Ergebnisse. Diverse Teams, die unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Fähigkeiten haben, beflügeln dagegen Kreativität und Innovation. Und das wiederum führt zu besseren Produkten und relevanteren Marketingkampagnen.
Die gute Nachricht: Mittlerweile sind fast allen in der Werbebranche diese positiven Effekte bekannt. Schwieriger ist es jedoch, diese Erkenntnis und Verpflichtung konsequent in die Praxis umzusetzen. Ich habe mit sehr vielen Führungskräften aus der Werbebranche zusammengearbeitet, die den Worten Taten folgen lassen und einen bedeutsamen Wandel herbeiführen möchten, um Inklusion und Diversität am Arbeitsplatz zu verbessern.
Dabei habe ich Folgendes gelernt: Es ist einfach, gute Absichten zu haben und all die Argumente zu kennen, warum mehr getan werden muss. Auch lassen sich ganz leicht umsichtige Aktionspläne entwerfen und als Zeichen des guten Willens Einmalschulungen durchführen. Viel schwieriger ist es jedoch, den Blick der Menschen auf andere zu verändern oder ihr Verhalten so zu beeinflussen, dass sie die Diversität respektieren und die Inklusion in ihren Teams und Unternehmen fördern. Daher müssen wir alle ständig Feedback dazu geben, was funktioniert und was nicht, um diese Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen.
Wir bei Rare möchten den Wandel vorantreiben, indem wir brauchbare Tools und bewährte Praktiken bereitstellen und eine Vordenkerrolle einnehmen. Unser Ansatz basiert auf jahrzehntelanger Forschung und Erfahrung, wovon Werbetreibende aus allen Branchen profitieren können.
Abkehr vom Kosten-Nutzen-Denken
Das Einstellen von Mitarbeitern mit Blick auf Diversität war schon immer eine Herausforderung, insbesondere angesichts der dringenden Notwendigkeit, Stellen zu besetzen. Es bietet Führungskräften aber auch die Chance, sich vom traditionellen Kosten-Nutzen-Denken zu lösen. Anstatt das Anwerben und Einstellen von Kandidaten mit unterschiedlichen demografischen und kulturellen Hintergründen grundsätzlich abzulehnen, weil es oft zeitaufwendiger ist, sollten Führungskräfte sich auf die Vorteile dieser Vielfalt für das Unternehmen konzentrieren.
Es gibt zwar keine perfekte Formel, aber transparente Führung, die Einhaltung organisatorischer Strategien und überlegte Einstellungspraktiken können einen bedeutsamen Wandel herbeiführen. Nachfolgend werden einige konkrete Strategien erläutert, die sich in der Branche bewährt haben.
Drei Tipps zum Einstellen und Binden vielfältiger Talente
Empfehlungen zum Einstellen vielfältiger Talente
- Arbeiten Sie mit Universitäten und externen Organisationen wie SheSays, Creative Equals oder The Future Is ND zusammen, um die Stellenausschreibungen richtig zu gestalten und die passenden Kandidaten im Hinblick auf Diversifikation und Inklusion anzusprechen.
- Sprechen Sie gezielt auch Diversity-Netzwerke und Einzelpersonen mit dem entsprechenden Hintergrund in verschiedenen Branchen an, um Talente zu finden.
- Erweitern Sie die Einstiegspunkte in Ihrem Unternehmen durch bezahlte Praktika, Auftragnehmer und Rotationsprogramme.
- Standardisieren Sie die Auswertungskriterien und nutzen Sie bestimmte Maßstäbe in den Systemen zur Personalvorauswahl. Deloitte Canada verwendet beispielsweise ein System namens "Extreme Recruiting", mit dem das Unternehmen Kandidaten für verschiedene Aufgaben unter Berücksichtigung kultureller und Generationsunterschiede findet und bewertet.
- Die aus dem letzten Jahrzehnt stammenden Systeme zur Personalbeschaffung sind mittlerweile überholt. Setzen Sie stattdessen auf neue Tools zur Kandidatenbeurteilung, die mit sozialen Medien verbunden sind, auf maschinellem Lernen basieren und verbesserte Analysefunktionen bieten.
- Vermeiden Sie eine voreingenommene Sprache in Stellenbeschreibungen, Bewerbungsmaterialien und Vorstellungsgesprächen. Achten Sie beispielsweise auf geschlechtsneutrale Begriffe und listen Sie nur die für die Stelle erforderlichen Fähigkeiten auf, anstatt Formulierungen wie "positive Einstellung" oder "teamorientiert" zu verwenden, die ungewollt falsche Signale senden können.
- Bitten Sie Mitarbeiter um Feedback zu den Stellenbeschreibungen und auch in anderen Phasen der Bewerbungs-, Auswahl- und Onboardingprozesse.
- Identifizieren Sie individuelle Eigenschaften oder fehlende Kompetenzen, die zum Ausscheiden von Kandidaten führen, und suchen Sie nach Möglichkeiten, wie man damit umgehen kann. Wenn Kandidaten keine ausreichenden Deutschkenntnisse haben, aber ansonsten hervorragend qualifiziert sind, können Sie ihnen nach der Einstellung Sprachkurse anbieten.
- Sorgen Sie für eine gute Zusammenarbeit zwischen der Personalabteilung und den für die Unternehmenskommunikation zuständigen Mitarbeitern, damit sich der hohe Stellenwert der Diversität auch klar und konsequent in den Prozessen widerspiegelt.
- Erstellen Sie Innovationsportfolios, die Toolkits für das Anwerben, Einstellen und Binden von Mitarbeitern enthalten, um das Ergreifen von Maßnahmen für verschiedene demografische Merkmale und Funktionen zu unterstützen. Schaffen Sie Raum zum Experimentieren und Lernen.
Unternehmenskultur (neu) gestalten
Das Einstellen von Personal ist nur der erste Schritt. Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung sind ebenso wichtig. Mitarbeiter und Teams mit Diversitätsmerkmalen, die es in die Spitzengruppe eines Unternehmens schaffen, können mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert sein: unbewusste Voreingenommenheit, Mikroaggressionen, Ausgrenzung oder Diskriminierung am Arbeitsplatz. Dieser falsche Umgang führt oft dazu, dass die betroffenen Mitarbeiter das Unternehmen verlassen.
In einer 2017 durchgeführten Deloitte-Studie gaben 23 Prozent der Befragten an, dass sie gekündigt haben, weil die Inklusionsbedingungen beim neuen Arbeitgeber besser sind. Das kann ganz schön ins Geld gehen. Das Ersetzen eines Mitarbeiters kostet im Durchschnitt mehr als ein Fünftel seines Gehalts. Und der Verlust von Talenten und Fachkenntnissen, der sogenannte Braindrain, kann sogar noch größeren Schaden anrichten, da der Kreativprozess darunter leidet.
Das Ändern der Denkweisen und Verhaltensmuster, das heißt das Schaffen einer neuen Unternehmenskultur, ist die beste Möglichkeit, die Diversität in den Geschäftsalltag einzubetten. Dazu müssen die Arbeitsprozesse und Herangehensweisen neu gestaltet werden, damit jeder Einzelne in einem diversen Team möglichst viel beitragen und sich neue Gewohnheiten aneignen kann.
Empfehlungen zum Binden vielfältiger Talente
- Lernen Sie Ihre Mitarbeiter durch segmentierte Umfragen, unabhängig moderierte Schwerpunktgruppen oder Zweiergespräche besser kennen. Finden Sie dann durch Analysieren von Hindernissen und kulturelle Forschung heraus, welche Hürden es derzeit bei der Inklusion gibt.
- Legen Sie Inklusionsziele fest und erfassen und teilen Sie die Ergebnisse. Schulen Sie Führungskräfte der mittleren Ebene darin, die Inklusion zu fördern, und übertragen Sie ihnen die Verantwortung für diese Aufgabe.
- Nennen Sie konkrete Aktionspunkte für die Führungsspitze, z. B. aktives Zuhören, Feedback und das Schildern eigener Erlebnisse und Erfahrungen fördern sowie die Unterstützung von Mitarbeitergruppen auf Vorstandsebene ausbauen.
- Optimieren Sie die Unterstützung durch Mentoren, indem der Wissensaustausch und das Verständnis zwischen Mitarbeitern aus diversen Gruppen gefördert werden. Schaffen Sie offizielle Unterstützernetzwerke, um den Mitgliedern der vielfältigen Gemeinschaft zu helfen, sich besser im Unternehmen zurechtzufinden, und die Zugehörigkeit zu stärken.
- Unterstützen und befähigen Sie Gruppen, die Mitarbeitern die nötigen Ressourcen bereitstellen, um Lern- und Entwicklungschancen wahrzunehmen. Sie können sie beispielsweise dazu ermutigen, Playbooks zum Thema Diversität und Inklusion zu entwickeln, in denen nicht so häufig gestellte Fragen behandelt werden.
- Etablieren Sie konsistente, strukturierte Feedbackprozesse für Leistungsbeurteilungen und Gespräche zur beruflichen Weiterentwicklung. Schulen Sie Führungskräfte darin, Feedback zu Mitarbeitern abzugeben, die möglicherweise unter einem Hochstapler-Syndrom, Bedrohung durch Stereotype oder Angst vor Gegenreaktionen leiden.
- Schulungen, die Werte wie Vielfalt, Inklusion und Unvoreingenommenheit vermitteln, müssen auf den neuesten Forschungen und Best Practices basieren. Sie sollten Teil einer konsequenten Strategie sein, die das Bewusstsein für Diversität und Inklusion schärft und das Ergreifen geeigneter Maßnahmen fördert.
- Erstellen Sie geschlechtsneutrale Elternzeitregelungen, die auch die Unterstützung bei einer Rückkehr in den Betrieb durch formelle Wiedereingliederungsprogramme beinhalten.
- Streben Sie Entgeltgleichheit an und machen Sie Anstrengungen, Status und Ergebnisse transparent.
- Integrieren Sie die Diversitäts- und Inklusionsziele und die Maßnahmen zu deren Umsetzung in die Gesamtstrategie und setzen Sie sie bei Betriebsgesprächen auf die Agenda. Beziehen Sie beispielsweise Mitarbeiter in den Entscheidungsprozess des Unternehmens ein, machen Sie diese Anstrengungen sichtbar und informieren Sie alle über den aktuellen Fortschritt und die momentanen Herausforderungen.
Führungskräfte sind nicht perfekt und dürfen auch Fehler machen. Der Kampf um die besten Talente mit vielfältigem Hintergrund nimmt zu. Und Unternehmen, die erfolgreich eine Kultur der Diversität und Inklusion schaffen, sind bestens aufgestellt, Personal mit diversen Merkmalen einzustellen und zu binden. Das macht Unternehmen letztendlich wettbewerbsfähiger und stärkt die Bindung ihrer Mitarbeiter zum Betrieb. Satya Nadella, CEO bei Microsoft, hat sich auf dem Weltwirtschaftsforum Anfang dieses Jahres so geäußert: "Die Notwendigkeit der Diversität in Unternehmen ist nach wie vor unstrittig. Jetzt ist es Zeit, zu handeln."