In dieser Ausgabe von Firestarters beschäftigen wir uns mit einem Thema, das Planern besonders am Herzen liegt: dem kreativen Briefing. Branchenführer sprechen darüber, wie sie ihre kreativen Briefings an die Gegebenheiten der Welt des omnipräsenten Internets angepasst haben.
Die Werbung hat sich radikal an die Anforderungen der mobilen Welt des Internets angepasst, um flexibel, nützlich und relevant zu bleiben. Die Grundlage kreativer Werbearbeit, das kreative Briefing, hat sich indessen kaum verändert.
Es wird Zeit für eine Weiterentwicklung. Die ursprüngliche Form des Briefings stammt noch aus einer Welt mit überschaubarer Medienlandschaft, in der es Marken leicht fiel, die Aufmerksamkeit von Kunden durch Cleverness und Kreativität zu gewinnen. Heute ist das Medienangebot schier unerschöpflich, und der Kaufprozess wird von Hunderten kleinen Momenten bestimmt, die alle zur Entscheidungsfindung beitragen. Werbung muss in diesen Momenten immer noch kreativ, aber auch relevant sein, um den Wettbewerb um die Herzen und das Geld der Kunden zu gewinnen. Was sollte sich also am kreativen Briefing ändern, damit es wieder zeitgemäß ist?
Im Rahmen unserer Reihe Google Firestarters haben wir Vertreter führender Agenturen (Droga5, Deep Focus und Betaworks) und Marken (Mondelez) danach gefragt, wie sie ihre Briefings an die Anforderungen dieser neuen Welt angepasst haben. Einige ihrer Tipps dazu, wie das kreative Briefing und der anschließende kreative Prozess sich entwickeln sollten, sind hier zusammengefasst.
1. In Dreierteams arbeiten
Wodurch wird kreatives Arbeiten erschwert? Endlose Überprüfungsdurchgänge führen häufig dazu, dass kreative Teams sich wochen- oder monatelang im Kreis bewegen und zu keinem Ergebnis kommen. Nach ihrem Wechsel auf die Kundenseite erkannte Eliza Esquivel, VP und Global Head of Brand Strategy bei Mondelez, dass große Unternehmen Prozesse wie Marketing-Briefings gern systematisieren und damit auch durchaus erfolgreich sind. Doch zu viele Vorlagen, zu viele Beteiligte und zu viele Genehmigungsebenen stünden kreativer Arbeit häufig im Weg. "Es darf bei der Arbeit an einer Kampagne keine 20 Genehmigungsebenen geben."
Stattdessen setzt Mondelez auf Dreierteams, die eigenständig briefen, entscheiden und die gesamte kreative Arbeit übernehmen. Die Teams bestehen aus zwei Mitarbeitern des Unternehmens: einem Strategen und einem Experten für die Marke Mondelez. Das dritte Teammitglied ist ein externer Partner aus dem Kreativ- oder Technologiebereich.
"Alles beginnt mit einem Gespräch zwischen drei Personen. Daraus entwickelt sich ein Konzept, auf dessen Grundlage wir eine Aufgabenstellung formulieren und die richtigen Leute für die Umsetzung finden können", so Esquivel.
Durch dieses geradlinige, von Genehmigungshürden befreite Modell wird ein Umfeld geschaffen, in dem Kreativität gedeihen kann. Und es bietet Mondelez die Möglichkeit, seine Angebote schneller auf den Markt zu bringen.
2. Zielgerichtete Mini-Briefings entwickeln
Zu viele Ideen stören die Konzentration auf das Wesentliche. Viele Agenturen vermeiden dies, indem sie ein einziges Briefing formulieren, das das Gesamtkonzept einer Kampagne enthält. Doch manchmal können sich im Lauf einer Kampagne neue Teil-oder Nebenprojekte ergeben. Deshalb sorgt Droga5 dafür, dass es nicht nur ein übergreifendes Briefing gibt, das sämtliche Bereiche einer Kampagne abdecken muss.
Die Teams von Droga5 nutzen im Rahmen des Kaufprozesses gewonnene Informationen zu den jeweiligen Zielgruppen, um kompakte, zielgerichtete Mini-Briefings zu entwickeln. Jedes Mini-Briefing ist auf ein bestimmtes Kaufverhalten ausgerichtet und fügt sich nahtlos in das Gesamtkonzept der Kampagne ein. Chet Gulland, Head of Strategy bei Droga5, meint, er achte beim zentralen Briefing einer Kampagne auf Konsistenz. Bei den Mini-Briefings sei jedoch Flexibilität gefragt.
"Wir denken hin und wieder darüber nach, all diese Mini-Briefings in eine einheitliche Form zu bringen. Aber letztendlich entscheiden wir uns immer wieder dafür, sie möglichst einfach und flexibel zu halten", erklärt er. "Es ist einfach am sinnvollsten, diese Briefings an die jeweilige Aufgabenstellung anzupassen."
"Ein Briefing muss mehr aussagen als: 'Wir brauchen eine Idee, die in den sozialen Medien funktioniert.' Das kann nicht unser Anspruch sein. Wir brauchen große Ideen, die als Nährboden für viele kleine Ideen dienen."
Für Prudential entwickelte Droga5 die Idee, sich als Finanzdienstleister zu positionieren, der seinen US-amerikanischen Kunden dabei hilft, intelligentere Finanzentscheidungen zu treffen. Aus dieser zentralen Idee entstanden viele modulare Kampagnenelemente. Die letzte größere Aktion war der Freizeitlauf "Run 4.01K" in Washington, der eine landesweite Debatte zum Thema Altersvorsorge auslösen sollte. Laut Gulland wurden allein für den "Run 4.01K" 50 Mini-Briefings erstellt.
"Jedes einzelne Element hatte sein eigenes Briefing. Vom Auftritt in den sozialen Medien über die Website bis hin zur Registrierungsseite. Jedes dieser Briefings enthielt seine eigenen Erkenntnisse über die Nutzer und darüber, wie die Erfahrung für diese Nutzer beschaffen sein sollte. So konnten unsere kreativen Mitarbeiter die Grundidee im Hinterkopf behalten und sich gleichzeitig darauf konzentrieren, welches Nutzerverhalten wir an den verschiedenen Interaktionspunkten auslösen wollten", erklärt Gulland.
Ian Schafer, Global Chairman und Gründer von Deep Focus, befürwortet diese Methode ebenfalls und fügt hinzu, dass das zentrale Briefing weit genug gefasst sein müsse, um einem breiten Spektrum an Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten Raum zu geben.
"Ein Briefing muss mehr aussagen als: 'Wir brauchen eine Idee, die in den sozialen Medien funktioniert.' Das kann nicht unser Anspruch sein. Wir brauchen große Ideen, die als Nährboden für viele kleine Ideen dienen. Und diese kleinen Ideen müssen das Potenzial haben, zu wachsen und zu etwas noch Größerem zu werden als die eigentliche Ursprungsidee."
3. Werbeinhalte über den Kampagnenstart hinaus planen
Nach dem Start einer Kampagne können sich Pläne schnell ändern. Die durch Videoportale und soziale Medien erzeugte Unmittelbarkeit hat aus Kampagnen Echtzeitkonversationen mit Kunden gemacht, die immer online sind. Droga5 nutzt den Prozess des kreativen Briefings, um über mögliche Reaktionen auf Kampagneninhalte nachzudenken und darüber, wie sich die Marke intelligent in die Konversation mit dem Kunden einschalten kann.
Gulland und sein Team betrachten dabei verschiedene Szenarien und Möglichkeiten, wie die Marke auf die jeweilige Situation reagieren kann. Sie überlegen, was zu tun ist, wenn die Kunden eine Kampagne lieben oder wenn bestimmte Aspekte einer Kampagne auf Ablehnung stoßen. Der Gedanke dahinter ist, dass die Kreativteams bessere Arbeit abliefern, wenn sie bereits im Vorfeld bestimmte Szenarien durchspielen, anstatt erst beim Eintreten bestimmter Situationen zu reagieren.
Die Reaktionen auf die für Honey Maid entwickelte Kampagne "This is Wholesome" hätten sehr unterschiedlich ausfallen können. In der Kampagne kamen unter anderem gleichgeschlechtliche Paare und Paare verschiedener Hautfarbe sowie deren Familien vor. Noch vor dem Start der Kampagne entwarf das Team Pläne, um auf verschiedene Empfindungen und Reaktionen vorbereitet zu sein.
Die meisten Menschen nahmen die Kampagne positiv auf, doch es gab genug kritische Stimmen, die eine Reaktion des Unternehmens erforderten. Dank der über den Kampagnenstart hinausgehenden Planung war Droga darauf vorbereitet. Gulland meint, das Team habe von Anfang an damit gerechnet, dass es heftige Reaktionen geben würde, und sei entschlossen gewesen, nicht klein beizugeben. "Wir wollten all den Hass in etwas Gutes verwandeln. Und genau das haben wir mit diesem Antwortvideo gemacht, das wir eine Woche nach dem offiziellen Kampagnenstart produziert haben."
Dieses Antwortvideo wurde schließlich zum effektivsten Teil der gesamten Kampagne und ist ein Beleg dafür, dass Werbung am besten als Dialog funktioniert.
"Auf den Zuschauer wirkte es, als hätten wir mit einer spontanen Idee reagiert. Dabei hatten wir unsere Reaktion schon lange im Vorfeld geplant. Wir versuchen bei allen aktuellen Kampagnen zu antizipieren, was sie bei den Rezipienten auslösen und wie wir darauf reagieren können", so Gulland.
4. Mehr praktisch als theoretisch arbeiten
Anstatt das Briefing dazu zu nutzen, Kampagnen vollständig zu entwickeln, bevor sie an den Start gehen, gestalten manche Agenturen einfach drauflos und warten ab, was passiert. James Cooper, kreativer Leiter bei Betaworks, meint dazu: "Wir tun es einfach. Wir bringen unser Material unter die Leute."
Genau so ist auch Poncho entstanden, ein Wetterdienst, der Nutzern Wettervorhersagen in Form von lustigen E-Mails und SMS sendet.
"Wir haben mit einer kleinen Gruppe von Nutzern in New York begonnen und unsere Reichweite dann langsam auf ein paar Nachbarstaaten ausgeweitet", berichtet Cooper. "Dieser Test hat uns dabei geholfen, vor dem landesweiten Launch unseren ganz persönlichen Ton und die richtige Art von Humor für unsere Wettervorhersagen zu finden."
Laut Cooper ist Poncho im Grunde ein Dienstprogramm. Es bietet Daten und Services, aber mit einer kulturellen Note, mit der sich die Nutzer identifizieren können. Das Projekt entstand, als eine Gruppe von Mitarbeitern bei Betaworks um einen Tisch saß. Plötzlich war die Idee da und wurde ausprobiert. Der Prozess des kreativen Briefings – wenn man ihn überhaupt so nennen mag – war kurz.
Der Name Betaworks geht auf den Gedanken zurück, dass das Testen von Produkten funktioniert ("beta works"). Im Gegensatz zu einem formalen Briefing-Prozess, bei dem man eine Präsentation hält, Änderungen vornimmt, weiterforscht und weitere Änderungen vornimmt, entwickle Betaworks Produkte, bringe sie auf den Markt und warte ab, wie die Leute darauf reagieren, so Cooper.
"Wir verändern sie. Manchmal stampfen wir sie auch ein. Und manchmal werden sie richtig erfolgreich. Dann setzen wir uns mit aller Kraft für sie ein."
Den Prozess bei kreativen Kampagnenstrategien in den Mittelpunkt stellen
Alle Gesprächsteilnehmer stimmten darin überein, dass es beim kreativen Briefing heutzutage nicht so sehr darauf ankommt, ein endgültiges Dokument zu verfassen. Vielmehr sollte man den Schwerpunkt auf den Prozess legen, denn dieser sollte Raum für Flexibilität, Reaktionsfähigkeit und ständige Verbesserungen bieten. Nehmen Sie sich die Zeit und prüfen Sie, ob sich Ihr Briefing-Prozess zum Vorteil ihres Teams weiterentwickelt hat.