Geschichten müssen heute nicht nur erzählt, sondern auch gelebt werden. Viele Unternehmen nutzen bereits das sogenannte Storytelling. Jetzt kommt eine weitere Dimension hinzu: das Storybuilding. John Osborn, CEO bei OMD, hat drei Tipps für einen erfolgreichen Einstieg.
"Wieso bist du vom kreativen Marketing in den Mediabereich gewechselt?" Diese Frage habe ich schon sehr oft gehört, seit ich meine Stelle als CEO bei der Werbeagentur BBDO New York aufgegeben habe, um in der gleichen Position bei OMD anzufangen. Meine Antwort lautet dann immer: "Bin ich doch gar nicht. Ich betrachte das Geschehen jetzt nur aus einem anderen Blickwinkel." Nach nunmehr einem Jahr auf der Mediaseite ist mir der Unterschied klarer geworden. Jetzt weiß ich: Zu einem guten Storytelling gehört ein ausgeklügeltes Storybuilding.
Auch wenn jetzt ein anderer Firmenname auf meiner Visitenkarte steht, bin ich nach wie vor der festen Überzeugung, dass exzellentes Storytelling zum Erfolg führt. In einer Media-Agentur werden Geschichten lediglich aus einer breiteren Perspektive gesehen. Wir erfassen genau, wie Zielgruppen die Story wahrnehmen, aber auch, wodurch sie davon abgelenkt werden.
Es reicht also nicht mehr, Nutzern einfach eine Geschichte zu präsentieren. Ein gutes Storytelling zeichnet sich eben nicht nur durch Erzählen und Teilen aus – man muss auch darauf aufbauen.
So war es früher
Bisher sah Storytelling in unserer Branche wie folgt aus: Werbetreibende dachten sich eine tolle Geschichte aus und berücksichtigten dabei kulturelle Besonderheiten sowie Annahmen für eine breite Zielgruppe. Dann wurde die Werbebotschaft mithilfe von Media so vielen Nutzern wie möglich präsentiert. Dieser Ansatz ist nach wie vor wichtig beim Branding. Allerdings wird dabei ein Aspekt außer Acht gelassen, dem in der heutigen vielfältigen Medialandschaft wachsende Bedeutung zukommt: die Personalisierung.
An dieser Stelle kommt das Storybuilding ins Spiel. Es umfasst im Wesentlichen drei Grundsätze.
1. Anhand von Zielgruppensignalen relevantere Werbebotschaften präsentieren
Kulturelle Besonderheiten und Annahmen zu demografischen Merkmalen sind beim Storytelling unerlässlich. Im nächsten Schritt wird basierend auf einzelnen Zielgruppensignalen ermittelt, wie sich die Werbebotschaft in der Folge individuell präsentieren lässt.
Nutzer wissen genau, was sie wollen, und teilen uns dies auch mit: durch Videoaufrufe, Suchanfragen, Klicks oder geteilte Inhalte. Unternehmen müssen Ordnung in dieses Durcheinander bringen und ihre Story entsprechend den Signalen anpassen.
Natürlich können wir weiterhin den aktuellen Zeitgeist in unsere kreativen Ideen einfließen lassen. Aber an dieser Stelle aufzuhören würde bedeuten, potenzielle Möglichkeiten nicht auszuschöpfen.
Bei OMD analysieren wir die Zielgruppensignale jetzt mithilfe eines Tools. So lässt sich ermitteln, welche Creative-Bilder und Botschaften bei bestimmten Nutzern gut ankommen. Natürlich können wir weiterhin den aktuellen Zeitgeist in unsere kreativen Ideen einfließen lassen. Aber an dieser Stelle aufzuhören würde bedeuten, potenzielle Möglichkeiten nicht auszuschöpfen.
2. Mit dynamischen Creatives zu mehr Personalisierung
Es war schon immer ein Traum der Mediabranche, personalisierte Werbung in großem Umfang zu präsentieren. Mit neuen Technologien lässt sich dies jetzt endlich umsetzen. Ein Beispiel: Über Zielgruppensignale erfahren wir nicht nur, was Nutzer wollen, sondern erhalten auch Informationen dazu, was sie sich als Nächstes ansehen möchten. Wir können darauf dann mit kontextrelevanten Anzeigen reagieren.
Unser Kunde Frito-Lay hat dies in der kürzlich veröffentlichten Kampagne für Lay's-Kartoffelchips umgesetzt. Gemeinsam mit Google ermittelte das Team zunächst die beliebtesten Inhaltskategorien ihrer Zielgruppe auf YouTube. Dabei wurde alles analysiert, von Gaming bis hin zu Mode aus den 90er-Jahren. Im Anschluss erstellte das Team mit YouTube Director Mix verschiedene Creative-Varianten für die beliebtesten Kategorien. Schließlich legte es die Kampagne so aus, dass zum richtigen Zeitpunkt interessierten Nutzern relevante Anzeigen präsentiert wurden. Wenn jemand ein Musikvideo aufrief, sah er also beispielsweise eine musikbezogene Anzeige.
3. Das Erfolgskonzept der Anzeigensequenz
Der dritte Grundsatz beim Storybuilding besteht darin, verschiedene Anzeigen nacheinander auszuliefern: eine sogenannte Sequenz. Dabei wird die gesamte Kampagne so eingerichtet, dass dem Nutzer individuell angepasste Anzeigenversionen in Folge präsentiert werden und zwar abhängig davon, wie er zuvor interagiert hat. Ein solcher Ansatz konnte bisher aufgrund der technischen Möglichkeiten nicht umgesetzt werden. Wir wagen jetzt den Sprung ins kalte Wasser und probieren es aus.
Mit der neuen Technologie erstellen wir eine Kampagne für Doritos-Tortillachips auf YouTube und erzählen eine interessante, lustige Geschichte in mehreren Episoden. Jede Folgeanzeige beginnt da, wo die letzte aufgehört hat, und wird nur Nutzern präsentiert, die das vorherige Video auch angesehen haben. Hat jemand die Wiedergabe abgebrochen, nehmen wir an, dass kein Interesse an der gesamten Geschichte besteht. Deshalb sehen diese Nutzer dann nur eine kurze, prägnante Produktanzeige.
Die Auslieferung von sechs Sekunden langen, aufeinanderfolgenden Bumper-Anzeigen mit längeren überspringbaren Versionen führt zu erheblichen Anstiegen im Marketingtrichter.
Dies ist die Zukunft des Storybuilding. Wir können bereits jetzt erste Erfolge verzeichnen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Ipsos, an der auch einige unserer Kunden teilnahmen, ergab Folgendes: Die Auslieferung von sechs Sekunden langen, aufeinanderfolgenden Anzeigen mit längeren überspringbaren Versionen führt zu erheblichen Anstiegen in allen Bereichen des Marketingtrichters: von der Markenbekanntheit bis hin zur Kaufabsicht.1
Ein weiteres Ergebnis der Studie war, dass es bei Sequenzen mit demselben Creative zu höheren Messwerten im oberen Trichterbereich kommt, z. B. bei der Anzeigenerinnerung. Hingegen werden mit unterschiedlichen Creatives eher Steigerungen bei den Aktionen erzielt, z. B. bei der Kaufabsicht.2
Die Zukunft des Storybuilding
Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Natürlich erfolgt der Übergang vom Storytelling zum Storybuilding nicht über Nacht. Zunächst können wir uns aber bei unseren Creative-Briefings an den folgenden drei Fragen orientieren: Welche Zielgruppensignale fließen in die Story ein? Mit welchen Technologien können wir eine Personalisierung in großem Umfang bieten? Und: Wie entwickelt sich unsere Geschichte im Lauf der Zeit mit mehreren Episoden?
Haben wir diese Fragen erst einmal verinnerlicht, sind interessantere Storys – und damit auch besser präsentierte Werbebotschaften – bald Normalität.