In einem weiteren interessanten Lightning Talk auf der YouTube-Strandbühne in Cannes geht eine Gruppe von Planern, Kreativprofis und Branding-Werbetreibenden der Frage nach, inwieweit Daten die Kreativität beeinflussen.
Der zweite Lightning Talk am Mittwoch begann mit einer provokativen Aussage des Moderators Nick Vale, Global Head of Planning bei Maxus. Um den Gesprächsrahmen für die anderen drei Diskussionsteilnehmer vorzugeben, sagte Vale: "Ich persönlich habe das Gefühl, dass sich die Mediaübermittlung in den letzten drei Jahren komplett gewandelt hat... Diese Entwicklung scheint sich aber nicht in unserer Kreativarbeit niederzuschlagen."
2010 schrieb Dimitri Maex, President of Ogilvy One New York, ein Buch mit dem Titel Sexy Little Numbers, um die Rolle von Daten beim Unternehmenswachstum und Verbessern der Kundenbeziehungen zu entmystifizieren. Sechs Jahre später stellt Maex fest, dass die Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten ist, wie erhofft, denn in Bezug auf Daten steht noch immer die Technologie und nicht die Anwendung im Mittelpunkt. "Wenn es eine Empfehlung aus dem Buch gibt, die heute immer noch Gültigkeit hat, dann diese: Ausgangspunkt der Überlegungen sollte sein, wie die Daten genutzt werden, welche Anwendungen vorstellbar sind und welche Fragen mit den Daten beantwortet werden können. Basierend darauf sollte dann die Technologiediskussion geführt werden.
Vale fragte anschließend Seth Barron, Head of Creative Business Partnerships bei ZOO Americas, ob sich seiner Meinung nach das Interesse an datengestützter Kreativität in letzter Zeit verändert hat. Nach Ansicht von Barron gibt es zwar durchaus eine erhöhte Nachfrage nach Daten und datengestützten Methoden, aber das Tempo der Transformation ist zu langsam. "Viele Werbetreibende sind noch in alten Denkmustern verhaftet und trennen zwischen Online- und Offlineaktivitäten, was völlig überholt ist. Ich sitze nicht vor einem Computer, habe aber ein Smartphone in der Tasche und bin daher online." Barron ist der Ansicht, dass Unternehmen und Agenturen die Daten verwenden sollten, um relevantere Erfahrungen zu schaffen, und dass sie sich von der kampagnenorientierten Denkweise befreien sollten, die sich nicht am tatsächlichen Nutzerverhalten orientiert.
"Viele Marketingleute sind festgefahren und denken, es gäbe ein Paradigma zwischen Online und Offline, was total veraltet ist. Ich sitze nicht vor einem Computer, ich habe ein Smartphone in meiner Tasche, also bin ich online."
- Seth Barron, Head of Creative Business Partnerships, ZOO Americas
Ohne Frage hat sich die Datenmenge, auf die Unternehmen Zugriff haben, in den letzten Jahren enorm erhöht. Maex und Barron sind sich allerdings nicht sicher, ob die Daten auch tatsächlich in vollem Umfang angewendet werden. Suzanne Cole, EVP Media bei Universal Studios, griff den Gesprächsfaden auf und erläuterte, wie schwierig die Unterscheidung zwischen wichtigen und einfach nur interessanten Daten ist. Universal Studios hat das Budget für Digitalmedien und Videos erheblich aufgestock. Um Daten optimal auszuwerten, muss Cole zwischen nützlichen und nicht relevanten Signalen unterscheiden. Eine echte Herausforderung, insbesondere in einer Umgebung, in der Jugendliche – eine der größten Zielgruppen des Unternehmens – ihr Bestes geben, um Werbung gänzlich zu vermeiden.
Als Nächstes befassten sich die Diskussionsteilnehmer mit dem Unterschied zwischen Analyse und gewonnenen Erkenntnissen. Dimitri Maex hat beobachtet, dass Daten im Wesentlichen weiterhin für weniger komplexe Aufgaben verwendet werden, etwa für die Auswertung abgeschlossener Kampagnen. Wir sind zwar noch weit davon entfernt, größere Herausforderungen zu meistern, die Personalisierung und komplexe Programmatic-Kreativität umfassen, aber es gibt Grund zum Optimismus. Die Branche ist im Wandel und öffnet sich für eine neue Generation von Creatives, bei denen relevante Daten berücksichtigt werden.
Was Daten und Programmatic als Werkzeuge des digitalen Storytellings anbelangt, ist Seth Barron skeptisch. Er argumentiert, dass wir uns selbst einen Bärendienst erweisen, wenn wir menschliche Intuition und Vorstellungskraft aus der Gleichung entfernen. "Marken sind keine Waren, sondern Ideen", gibt er zu bedenken. Das Nutzerverhalten wird also eher durch Emotionen als durch Logik beeinflusst. Für Barron ist eine gute Story mehr als nur eine Sammlung von Marketing-Touchpoints und er hat auch eine einfache Lösung, wenn Nutzer versuchen, Werbung zu umgehen: Es müssen relevante Inhalte präsentiert werden. Wenn wir uns für das interessieren, was wir sehen, ist uns die Herkunft des Inhalts nicht wichtig. Und anhand von Daten lässt sich genau ermitteln, was Nutzer anspricht.
Suzanne Cole wirft einen Blick auf die ideale Zukunft und knüpft ihre Hoffnungen an Daten, die eine Attribution von 20 : 20 ermöglichen, wobei die Zusammenarbeit zwischen Technologie- und Mediapartnern ein vollständiges Bild der Zielgruppe entstehen lässt. Für Dimitri Maex besteht der nächste Schritt darin, die Ergebnisse der Datenanalyse bei Produkten und bei der Nutzererfahrung zu berücksichtigen und Personalisierung sowie Visualisierung einzusetzen, damit jede Kommunikation und Interaktion tatsächlich von Belang ist. Seth Barron fasst die Diskussion zusammen und prognostiziert, dass die Daten in Zukunft dazu beitragen, relevantere Inhalte zu präsentieren und individuelle Erfahrungen zu schaffen. Eine erfreuliche Perspektive, da Unternehmen, Werbetreibende und Zielgruppen gleichermaßen profitieren.