Wenn du an eine Luxusmarke wie Dior denkst, hast du wahrscheinlich eher Bilder von Paris, der Fashion Week oder der ikonischen New-Look-Silhouette im Kopf. Was dir vermutlich weniger in den Sinn kommt: Make-up-Tutorials auf YouTube.
Aber wenn Marken den Kontakt zu ihren Kundinnen und Kunden nach deren Vorlieben gestalten wollen, ist es wichtig, sie persönlich und direkt anzusprechen. Denn Anzeigen, die sich nahtlos in das Erscheinungsbild und die Tonalität der organischen Plattforminhalte einfügen, funktionieren besser. Dieses Phänomen bezeichnen Marketingfachleute und Media-Einkäufer als „Relevanz“.
Doch wie reagieren Menschen auf verschiedene Anzeigentypen? Und wie entstehen authentische Verbindungen, wenn Marken im Umfeld der Lieblingsinhalte von Nutzerinnen und Nutzern erscheinen? Das wollten die Teams von Adrenaline und Google Creative Works innerhalb von Google Media Labs genauer wissen. In unterschiedlichen Selbsttests haben sie die effektivsten Strategien für die verschiedenen Plattformen analysiert.
Relevanz entscheidet, unabhängig von der Größe
Das traditionelle Denken über Plattformen wandelt sich, da Marketingfachleute die Mechanismen von Kanälen überdenken. Ganzheitlich betrachtet lässt sich heute jede Interaktion mit einer Marke als Werbung interpretieren. Effektive Mediastrategien nehmen daher alle Formen der Werbewahrnehmung holistisch in den Blick – sei es das Vorbeigehen an einem Geschäft oder das Ansehen eines gesponserten Videos.
In Anbetracht des sich wandelnden Nutzerverhaltens ist Relevanz das Erfolgskriterium – unabhängig von der Plattform
„Früher haben wir Social-Media-Plattformen unter dem Aspekt von Reichweite und Frequenz betrachtet“, sagt Suzana Apelbaum, Global Group Marketing Specialist Creative und Innovation bei Media Lab. „Zum Beispiel haben wir große Plattformen wie YouTube hauptsächlich zur Reichweitensteigerung genutzt. Individuell zugeschnittene Inhalte haben wir nur für die sogenannten ‚Relevanzplattformen‘ produziert, um unsere Kernzielgruppen anzusprechen. In Anbetracht des sich wandelnden Nutzerverhaltens haben wir erkannt, dass unabhängig von der Plattform oder ihrer Größe Relevanz der Schlüssel zum Durchbruch ist. Also erweiterten wir unseren Ansatz ‚Reichweite plus Frequenz‘ auf ‚Reichweite plus Relevanz plus Frequenz‘.“
Apelbaums Team tauschte daraufhin sein Social-Media-Briefing gegen eine ganze Reihe von Briefings aus: eines für jede Plattform, „unter Berücksichtigung der jeweiligen Best Practices, der Funktionen und des Nutzerverhaltens auf jeder Plattform“, so die Marketing-Expertin.
Passe Anzeigen an sichtbare Zonen an (Safe Zones)
Da YouTube überall zugänglich ist, wo sich Nutzerinnen oder Nutzer befinden, sollte das Videoportal auf jedem Endgerät problemlos verwendet werden können. Um die Sichtbarkeit auf allen Bildschirmgrößen zu gewährleisten, müssen Marketer Spezifikationen und sogenannte Safe Zones berücksichtigen, also Zonen, in denen die Sichtbarkeit auf jeden Fall garantiert ist. Auch die Länge der Spots variiert je nach Marketingziel. Dafür kann die Produktion bei YouTube Shorts, die eher zum schnellen Durchscrollen gedacht sind, weniger aufwendig sein als bei anderen Formaten.
„Um mehrere Plattformen zu bespielen, ist auch ein höherer kreativer Aufwand nötig“, sagt Andrew Wong, Senior Integrated Media Manager bei Media Lab. „Statt wie früher ein paar 60-, 30- oder 15-Sekunden-Videospots zu erstellen, produzieren wir jetzt sehr viele Kurzvideos, GIFs und statische Bilder – multipliziert mit der Anzahl der Plattformen, die wir auswählen, und in höherer Frequenz. Der Übergang zu einem modernen Marketingmix erfordert daher auch einen grundlegenden organisatorischen und mentalen Wandel.“
Genauso wichtig wie Kontext und Storytelling sind technische Überlegungen, z. B. Bildschirmgröße und User Interface (UI) der Plattform. Da die meisten YouTube-Aufrufe mittlerweile über mobile Geräte und nicht mehr über den Desktop erfolgen, sollten Kreativteams stets die Spezifikationen für vertikale Videos überprüfen und für kleinere Bildschirme produzieren. Wie Anzeigen schlussendlich performen, können Marketer anhand von Echtzeit-Reportings und Brand-Lift-Umfragen analysieren und die Ergebnisse in zukünftige Kampagnen einfließen lassen.
Jede Marke hat das, was sie zum Experimentieren braucht
Liegt der Fokus auf Relevanz, kann es verlockend sein, sämtliche Kampagnen ausschließlich mit lokalen Influencern zu bespielen. Doch eine Testreihe mit Videos, die erst kürzlich von Global Creative Works durchgeführt wurde, zeigt, dass dies nicht unbedingt eine effektive Strategie ist. Stattdessen fand das Team heraus, dass bei einer Stichprobe von Werbemitteln aus drei verschiedenen Kategorien diejenigen zur Erreichung bestimmter Ziele beigetragen haben, die gezielt auf ihre Rolle im Sales Funnel zugeschnitten waren.
„In diesen ersten Experimenten konnten wir beobachten, dass vor allem Influencer mithelfen können, die Online-Umsätze anzukurbeln“, sagt Billy Corbyn, Head of Global Creative Works. „Es geht nicht so sehr darum, dass Influencer die Marken pushen, sondern vielmehr darum, dass sie zum Handeln motivieren. Sie bringen die Zuschauerinnen und Zuschauer dazu, tatsächlich etwas zu tun, anstatt nur die Aufmerksamkeit auf eine Marke zu lenken.“
Kein One-Size-fits-all
Ein weiteres spannendes Ergebnis der kreativen Experimente war, dass es keine bestimmte Art von Anzeige gibt, die im Hinblick auf das Erreichen aller Anzeigenziele anderen überlegen ist. Wenn man jedoch in einer Anzeige einzelne Elemente hervorhebt, um bestimmte Ziele zu erreichen, kann man eine größere Wirkung erzielen.
Nach dieser Logik scheinen innerhalb einer einzigen Kampagne verschiedene kreative Assets in unterschiedlichen Phasen des Funnels am besten zu funktionieren. Der Online-Marktplatz Mercado Libre beispielsweise steigerte mit einer Anzeige im oberen Teil des Funnels die Awareness, während Anzeigenmotive mit Prominenten und Influencern am Ende des Funnels den Umsatz ankurbelten. Weitere Tipps zur Verbesserung von Marketingzielen sind in den ABCD-Prinzipien für kreative Effizienz auf YouTube enthalten.
„Der Einsatz von Influencern, die Gestaltung von Werbemitteln, die wie originäre Inhalte aussehen, und eine stärkere Einbindung in die Plattform – das bringt die Menschen tatsächlich zum Handeln“, so Corbyn. Seiner Auffassung nach sei das Testen über verschiedene Ziele hinweg oft so einfach wie die Vertikalisierung eines Assets.
Shorts müssen nicht kurz sein
Die meisten Menschen denken bei Shorts an vertikale Videos, die kürzer als 15 Sekunden sind. Dabei sind viele Clips 30 Sekunden lang oder noch länger. Wenn die Leute interessiert sind, bleiben sie am Ball. Für Marken ist das ein Grund mehr, sofort in die Handlung einzusteigen. Das gilt für Spots, die aus vorhandenem kreativen Material zusammengestellt wurden, genauso wie für Spots, die speziell für Shorts produziert wurden.
Bei ihren kreativen Experimenten überraschte das Team, dass längere Kurzfilme genauso gut — und manchmal sogar besser — abschnitten als Kurzfilme unter 15 Sekunden. Ein konkretes Beispiel war ein 49 Sekunden langer Interview-Clip von Sony Pictures. Sowohl der Interviewausschnitt als auch der 30-sekündige Trailer hatten positive Auswirkungen auf verschiedene Kennzahlen entlang des Sales Funnels.
Von Creatorn inspirieren lassen
Können Markenbotschafterinnen und Markenbotschafter durch die direkte Ansprache ihres Publikums die Kennzahlen steigern? Das Videoexperiment von Dior zeigt: Das ist möglich. Werbeerinnerung und Suchanfragen profitierten davon, sich an den organischen Inhalten von YouTube zu orientieren, in denen Creator direkt in die Kamera sprechen, um mit ihren Zuschauerinnen und Zuschauern zu kommunizieren.
Während in dem klassischen Dior-Spot die preisgekrönten Schauspielerinnen Yara Shahidi und Anya Taylor-Joy als Markenbotschafterinnen auftraten, wandte sich Shahidi in dem Direct-to-Camera-Spot so natürlich an die Zuschauerinnen und Zuschauer, als würde sie mit einer Freundin sprechen – ein Ansatz, der sehr gut ankam. Es wurde kein neues Filmmaterial benötigt, alle Experimente von Google Creative Works basierten auf bereits vorhandenem Material, das für den Einsatz lediglich vertikalisiert wurde.
Da für die Durchführung der Experimente nur sechs Wochen zur Verfügung standen, war es entscheidend, dass das Material sofort einsatzbereit war. „Was jede Marke besitzt, ohne sich dessen bewusst zu sein, ist eine Asset-Bibliothek“, erklärt Corbyn. „Die meisten Kampagnen setzen auf Markenwerbung, aber ebenso gibt es redaktionelle oder organische Inhalte. Es gibt einen Schatz an Assets, die aktiv als Werbemittel genutzt werden können.“
Creator schaffen Kultur, nicht nur Content
Was YouTube von anderen kreativen Plattformen unterscheidet, ist seine fast 20-jährige Geschichte. Marken finden auf der Plattform vertrauenswürdige Creator, die sich ihr engagiertes Publikum hart erkämpft haben.
Investiere in Creator
Um das Google Pixel 7a im Mai 2023 zu bewerben, setzte ein Marketing-Team von Google Deutschland auf eine Kampagne, die vollständig von Creatorn gesteuert wurde. Das Team stellte die Hypothese auf, dass Anzeigen mit Unterhaltungsfaktor, die unter der Prämisse „Platform first“ gestaltet wurden, genauso gut – wenn nicht sogar besser – abschneiden als klassische, teuer produzierte Kampagnen.
Den Stakeholdern war das Projekt nur schwer zu verkaufen. „Da es sich um die zweitgrößte Kampagne des Jahres handelte, war die Messung ihrer Wirkung entscheidend“, erklärt Mariya Kvitka, Associate Product Marketing Manager bei Google. Bereits nach zwei Wochen zeichnete sich ab, dass die von den Creatorn erstellten Anzeigen die KPIs für Aufmerksamkeit und Markenbekanntheit schneller verbesserten als die Standardanzeigen.
Nach vier Wochen stellte das Team fest, dass die Ad View Time bei den überspringbaren Anzeigen (skippable Ads) um 49 Prozent und die Aufmerksamkeit um 128 Prozent höher waren als in der Kontrollgruppe. Gleichzeitig sanken die Kosten pro Kontakt um 56 Prozent. Die Ausstrahlung der Anzeigen in rotierenden Sequenzen trug zusätzlich zur Effizienzsteigerung des Mediabudgets bei.
Diese Ergebnisse können Marken helfen, ihre Investitionen in die Plattform noch wertschöpfender einzusetzen. Eine frühere Untersuchung unter vergleichbaren Testbedingungen ergab eine um 57 Prozent höhere Ad View Time auf YouTube im Vergleich zu anderen digitalen Plattformen.1
„Als Marketer fällt es einem oft schwer, die Kontrolle über die eigene Werbung aus der Hand zu geben“, sagt Kvitka. „Besonders am Anfang brauchten wir viel Mut, um unseren Creatorn wirklich zu vertrauen. Wir mussten lernen, unsere eigenen Vorlieben zurückzustellen und unser kreatives Urteilsvermögen auf den Prüfstand zu stellen. Aber wir sind unserem Grundsatz treu geblieben: Lass die Creator – also jene, die YouTube zu dem machen, was es ist – ihre Magie entfalten.“
Für den zweiten Teil der Kampagne zielte das Team darauf ab, das Spektrum an kurzen Werbevideos durch längere Inhalte zu erweitern. Sie luden acht verschiedene Creator ein, Inhalte rund um das Google Pixel zu produzieren. Mit mehr Zeit und kreativer Freiheit gelang es den Creatorn, ihre Botschaften auf eine Art und Weise zu vermitteln, die bei den Zuschauerinnen und Zuschauern gut ankam.
Bis vor Kurzem war es eine besondere Herausforderung, zu messen, ob gesponserter Content auf den Kanälen der Creator das Kaufinteresse steigert. Erst durch den Einsatz des BrandConnect-Tools ist es dem Team hinter der Pixel-Kampagne gelungen, den direkten Einfluss von Creator-Content auf Markenbekanntheit und Markeninteresse quantifizierbar zu machen. Im Vergleich zu kurzen Anzeigen, die nicht von Creatorn erstellt wurden, steigerten Longform-Anzeigen von Creatorn Awareness und Consideration um das Fünffache.
Egal ob man die Flexibilität der Plattform nutzt oder authentische Verbindungen zu den Nutzerinnen und Nutzern aufbaut, die Experimente zeigen das Potenzial plattformgerechter Video-Marketing-Kampagnen in Sachen Zugänglichkeit und Effizienz. Und unabhängig davon, ob Unternehmen Komponenten früherer YouTube-Kampagnen wiederverwenden, Inhalte von anderen sozialen Plattformen adaptieren, Content selbst produzieren oder ihn in Auftrag geben – der Aufwand für die Anpassung an den jeweiligen Kontext im Verhältnis zum Nutzen ist verschwindend gering.
Im Laufe der Zeit haben sich erstaunliche Muster herauskristallisiert“, kommentiert Corbyn seine YouTube-Experimente. „Aber eines ist sicher: Man muss experimentieren, um es selbst herauszufinden.“