Jeden Tag werden unzählige Videos auf YouTube hochgeladen und Milliarden Aufrufe generiert. Einige dieser Inhalte verschwinden schnell wieder in der Versenkung. Andere werden kurzfristig zu viralen Hits. Und an manchen lassen sich weitreichende Änderungen im Nutzerverhalten sowie der kulturelle Wandel auf der Plattform, aber auch allgemein ablesen. Diese Entwicklungen sollten Werbetreibende im Auge behalten. In letzter Zeit haben wir die folgenden drei Trends beobachtet.
Nutzer verfolgen wichtige kulturelle Ereignisse in Echtzeit
Im Februar 2018 startete die Schwerlast-Trägerrakete "Falcon Heavy" des Herstellers SpaceX zu ihrem ersten Testflug. Dieses Ereignis wurde gleichzeitig 2,3 Millionen Mal aufgerufen und liegt damit an zweiter Stelle der erfolgreichsten YouTube-Livestreams. Rekordhalter ist nach wie vor Felix Baumgartners Stratosphärensprung aus dem Jahr 2012. Im Frühjahr 2018 gab es dann den schon jetzt legendären #Beychella-Moment – Beyoncés Auftritt beim Coachella-Musikfestival. Mit 458.000 gleichzeitigen Aufrufen ist dies der größte YouTube-Livestream bei einer solchen Veranstaltung. Kurz danach das nächste kulturelle Highlight: Die königliche Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle gehört mittlerweile zu den Top 10 der meistgesehenen Livestreams auf YouTube.
Nun ist Livestreaming an sich nichts Neues. Es gewinnt aber rasant an Bedeutung. Von den 100 beliebtesten YouTube-Übertragungen in Echtzeit wurden – gemessen an der maximalen Anzahl gleichzeitiger Aufrufe – über 60 in den letzten beiden Jahren gesendet.1
Und wie können Unternehmen davon profitieren? Sie müssen das Rad nicht neu erfinden, um diesen Trend in ihren Marketingstrategien zu berücksichtigen. Nintendo, der japanische Hersteller von Videospielen, informiert seine Nutzer zum Beispiel per Livestream über Neuigkeiten und Produktaktualisierungen. Diese Übertragungen sind witzig, kreativ und stellen eine gelungene Alternative zu den üblichen Vorträgen des Unternehmens auf wichtigen Gaming-Veranstaltungen dar. Einige sind mittlerweile sogar unter den Top 100 der YouTube-Livestreams zu finden.2
Lokale Inhalte werden zu globalen Hits
Im Zeitalter des Internets ist die Welt kleiner geworden. Dennoch erstellen Unternehmen für alle Märkte, in denen sie tätig sind, unterschiedliche Anzeigenversionen. Natürlich müssen beim Marketing kulturelle Besonderheiten berücksichtigt werden. Allerdings zeichnet sich auf YouTube ein Trend ab, aus dem sich schließen lässt, dass Nutzer weit weltoffener sind als gemeinhin angenommen: Videos, mit denen eigentlich lokale Zielgruppen angesprochen werden sollten, sind mittlerweile in aller Welt bekannt.
Im letzten Jahr veröffentlichte der US-amerikanische Musiker Childish Gambino seinen Superhit "This Is America". Im dazugehörigen Videoclip, der beim Verfassen dieses Artikels bereits über 517 Millionen Aufrufe hatte, werden viele spezifische Probleme der amerikanischen Gesellschaft angesprochen. Trotzdem wurde er innerhalb kürzester Zeit zu einem globalen viralen Hit. YouTuber und Künstler aus aller Welt erstellten danach eigene Versionen, um auf Missstände in ihren Ländern aufmerksam zu machen. Eine davon ist This Is Nigeria mit über 17 Millionen Aufrufen. In einem Monat wurden 19.000 Videos hochgeladen, die den Begriff "This Is America" im Titel enthielten und zu dem Zeitpunkt über 500 Millionen Mal angesehen wurden.3
Das Konzept, lokale Inhalte für eine globale Zielgruppe zu veröffentlichen, können Unternehmen in ihre Marketingstrategien aufnehmen. Ein beeindruckendes Beispiel hierfür ist die Zusammenarbeit von LG Electronics und der bekannten koreanischen Boyband BTS.
In einer kürzlich veröffentlichten Anzeige sprechen Mitglieder der Band über ein neues Smartphone von LG. Eine Version ist mit US-amerikanischen Stimmen synchronisiert, in einer anderen sind die Stars in ihrer Muttersprache zu hören. Nach einem kurzen Blick in die Kommentare wird klar: Auch in Ländern, in denen nur wenige Menschen koreanisch sprechen, bevorzugen viele Fans die authentische Originalversion, um ihren Idolen näher zu sein. 94 % der Nutzer, die YouTube-Videos der Band aufrufen, leben nicht in Korea. Manche gesellschaftlich-kulturellen Phänomene sind eben nicht landesspezifisch.4
Die Grenzen zwischen traditionellen Berühmtheiten und neuen Medienstars verschwimmen
Früher gab es eine klare Unterteilung in Prominente und Stars der neuen Medien. Seit 2018 verschwimmen die Grenzen zwischen diesen beiden Gruppen auf YouTube immer mehr.
So erzielte die Dokuserie über beliebte YouTuber von Shane Dawson im vergangenen Jahr mehr als 300 Millionen Aufrufe und läutete damit ein neues Zeitalter ein: Die Nutzer sind fasziniert vom Leben der Internetberühmtheiten. Ein solches Fanverhalten war bisher nur den sogenannten A-Promis vorbehalten.
Gleichzeitig entdecken aber auch traditionelle Prominente das Videoformat für sich, um ihre Fangemeinde zu begeistern. Will Smith hat 2018 beispielsweise keinen einzigen Film herausgebracht. Dennoch geriet er nicht in Vergessenheit, weil er private und spektakuläre Videos auf YouTube veröffentlichte. Die Fans erfuhren alles über seine Reisen, sie konnten an der In My Feelings Challenge teilhaben und sie konnten sogar seinen Bungeesprung aus einem Helikopter über dem Grand Canyon verfolgen.
Die Nutzer möchten ihre Idole nicht nur auf großen Bildschirmen wie im Fernsehen oder auf der Kinoleinwand sehen, sondern auch auf kleinen. Diesen Trend können Unternehmen nutzen und bei der Zusammenarbeit mit Prominenten berücksichtigen. Ist ein Star mit einem Produkt nicht nur in TV-Spots oder auf großflächigen Werbetafeln zu sehen, sondern auch in entsprechenden Videos, fördert dies die Nähe zu den Fans und damit auch die Bekanntheit des Unternehmens. Wie sich das umsetzen lässt, ist in den Tutorial Tuesday Videos von Rihanna zu sehen, in denen sie ihre Make-up-Marke Fenty Beauty präsentiert.
Die Trends aus 2018 setzen sich 2019 im kulturellen Wandel fort. Das Nutzerverhalten wird sich weiter verändern. Werbetreibende können davon profitieren und ihr Unternehmen weltweit auf der Onlinebühne präsentieren.