Multi Channel Networks kümmern sich um YouTube-Content, Kreativagenturen um TV-Spots. Wieso? Oliver Rosenthal erklärt im dritten und letzten Teil der Serie, warum Kreativagenturen gebraucht werden, was die Zukunft für sie bereithält und wie Google und der Art Directors Club versuchen, den “klassischen” Kreativen die Angst vor den “digitalen” Möglichkeiten zu nehmen.
Alex Schill, der zur Zeit höchstdekorierte deutsche Kreativchef einer Agentur, wurde vor kurzem mit dem Satz zitiert: “Da schubst uns gerade jemand in ein Eldorado der Möglichkeiten. Und wir jammern”. Selten wurde die Larmoyanz der deutschen Kreativbranche besser auf den Punkt gebracht.
Natürlich gibt es progressive Agenturmanager, die begeistert die neuen Möglichkeiten von Digital Video nutzen. Es scheint aber mehr genervte CMOs zu geben, die ihren Kreativagenturen nicht zutrauen, sie in diesem Bereich optimal zu beraten und sich neue Partner suchen. In den letzten Jahren sind einige Multi Channel Networks (MCN) entstanden, die YouTube Stars unter Vertrag nehmen und diese Marken für Kampagnen anbieten, um meistens junge Zielgruppen zu erreichen. Auch erfahrene TV-Produzenten wie UFA, ProSiebenSat.1 und Endemol haben mittlerweile eigene YouTube Units; das US-Medienunternehmen Vice produziert YouTube-Content direkt für Unternehmen wie L’Oréal. Und die Kreativagenturen? Bisher haben wenige mit der Gründung von Content Units auf diese Entwicklung reagiert, oder erkennbare Expertise im Bereich Digital Video aufgebaut. Immer häufiger werden Projekte daher aufgeteilt: Die TV-Spots macht eine klassische Agentur, digitaler Videocontent wird ausgelagert an MCNs oder weitere neue Player im Markt.
Das verwundert, denn Kreativagenturen sind beim Thema digitale Bewegtbildstrategie auf ihrem ureigensten Terrain: Geschichten erzählen in Bildern, in bewegten Bildern. Und doch führt anscheinend allein der Begriff “digital” dazu, dass viele “klassische” Kreative sich hierfür nicht zuständig fühlen. Daher haben der Art Directors Club und Google Germany in diesem Jahr beschlossen, in einer Kooperation gemeinsame Workshops und Diskussionen durchzuführen. Unter anderem wird Kevin Allocca, Head of Culture & Trends bei YouTube, auf dem ADC Kongress darüber sprechen, welchen Content eine Generation erwartet, für die "Creation, Curation, Connection, Community" die definierenden Elemente ihres Online-Verhaltens sind.
Diese Begriffe sind ein Hinweis darauf, dass YouTube nicht nur die zweitgrößte Suchmaschine der Welt, sondern auch ein soziales Netzwerk ist. Erfolgreiche YouTuber wenden häufig genau so viel Zeit für das Kommentieren und Kuratieren ihres Contents auf wie für dessen Kreation. Die Möglichkeit, die Wirkung von veröffentlichtem Content durch YouTube Analytics live zu verfolgen und darauf in Echtzeit zu reagieren, wird von den Werbetreibenden noch sehr zurückhaltend genutzt. Dabei ist dies die langersehnte Antwort auf die alte Henry Ford-Frage, welche Kommunikation wirkt und welche nicht.
Kreativagenturen werden gebraucht, denn Storytelling wird nicht von Algorithmen gemacht. Ändern wird sich nicht die kreative Anforderung an Kommunikation, sondern deren Produktionsabläufe: Immer mehr CMOs sind nicht bereit, hunderttausende Euro oder mehr für ein System bestehend aus Kreativagentur, Filmproduktion, Regisseur, Teams am Drehort, Post-Produktion, Media-Agentur und Marktforschung zu bezahlen.
Brad Jakeman, President, Global Beverages Group, PepsiCo bringt es auf den Punkt: “In der Vergangenheit haben wir Agenturen zwischen vier und sechs Monaten Zeit gegeben und hatten Budgets von 700.000 bis 2 Millionen $ für ein Stück Content; jetzt brauchen wir Agenturen, die Content innerhalb von Tagen liefern können, für Budgets von 10.000-15.000 $.”
Die gute Nachricht für die Kreativagenturen ist, dass Marken in Zukunft mehr Bewegtbild-Content brauchen werden, nicht weniger. Die Anforderungen an diesen Content ändern sich durch die Digitalisierung, Kreativität wird durch die Verbindung mit Technologie einen gewaltigen Schub erfahren.
Hier geht es weiter zum vierten Teil der Serie: Teil 4: Storytelling für die Generation YouTube ‒ „Micro Moments“