Dieser Artikel ist zuerst bei HORIZONT erschienen.
Marken müssen Haltung zeigen! Diese Erkenntnis ist dieses Jahr wohl endgültig bei den werbetreibenden Unternehmen angekommen. Vor allem weil es immer mehr Beweise dafür gibt, dass sogenannte "Purpose"-Kommunikation, also sinnstiftende Kampagnen für eine bessere Gesellschaft, positive Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen hat.
Laut der Meaningful Brands Studie von Havas1 werden Kaufentscheidungen zunehmend zum politischen Akt. 55 Prozent der deutschen Konsumenten sind der Meinung, dass Unternehmen heute eine wichtigere Rolle im Aufbau einer besseren Zukunft spielen als die Politik und glauben daran, dass sie durch ihre Markenwahl und Kaufentscheidungen Einfluss auf diese ausüben können. Auch kaufen 77 Prozent der Befragten bevorzugt Marken, die ihre eigenen Werte repräsentieren.
Das Beispiel Nike hat in den vergangenen zwölf Monaten auf herausragende Weise die Korrelation zwischen Haltung, wirtschaftlichem und kreativem Erfolg dokumentiert. Das Werbevideo "Dream Crazy" mit dem rebellischen Football-Star Colin Kaepernick landete 2018 unter den Top 5 der erfolgreichsten YouTube-Werbespots. Kaepernick, dessen berühmter Kniefall zum Symbol für den Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze in den Vereinigten Staaten wurde, ist vor allem in den USA eine sehr kontrovers diskutierte Persönlichkeit. Nike war sich dessen durchaus bewusst und nahm in Kauf, dass erboste Bürger nach Ausstrahlung des Werbespots ihre Nike-Turnschuhe öffentlichkeitswirksam im Vorgarten verbrannten.
Die mutige Haltung des Sportartikelherstellers zahlte sich am Ende trotz dieser Proteste aus: Die Marke ist in dem gerade von Interbrand veröffentlichten Ranking "Best Global Brands"2 um einen Platz nach oben geklettert, während der Unternehmenswert um sieben Prozent gestiegen ist. Außerdem ist die von der Agentur Wieden + Kennedy konzipierte Kampagne inzwischen zu einem echten Stück Kulturgut geworden. Neben mehreren Cannes-Löwen erhielt "Dream Crazy" im September sogar den prestigeträchtigen Emmy Award für herausragende Werbung. Ein wesentlicher Treiber für den Erfolg haltungsorientierter Kampagnen ist die Wahl des Mediums. Über digitale Verbreitungswege können Online-Videos schnell zum durchschlagenden Argument werden.
Das Nike-Beispiel zeigt: Wer wirklich etwas zu sagen hat und einen gesellschaftlichen Diskurs anstoßen will, für den kann YouTube mit 45 Millionen monatlichen Nutzern allein in Deutschland zum erfolgversprechenden Medium werden. Hier hat nicht nur die Kaepernick-Debatte ihren Ursprung genommen, auch andere Themen sind zunächst auf der Plattform platziert worden, bevor sie von anderen Medien aufgegriffen und weiterverbreitet wurden. Ein gutes Beispiel aus Deutschland ist das Rezo-Video zur Europawahl 2019, das ein weiterer Beweis dafür ist, dass vor allem jüngere Zielgruppen sehr interessiert an politischen und gesellschaftlichen Themen sind. Dieses Interesse beeinflusst zunehmend die Wirtschaft und in der Folge auch die Marketingkommunikation und macht YouTube zum Leitmedium im Bewegtbildkosmos.
Laut MedienVielfaltsMonitor3 nimmt das Internet den ersten Platz ein, wenn es um Meinungsbildung geht: Bei den 14- bis 49-Jährigen hat das Web ein Meinungsbildungsgewicht von 54,5 Prozent - das ist fast doppelt so hoch wie im Bevölkerungsdurchschnitt. Bei den 30- bis 49-Jährigen belegt es mit 36 Prozent ebenfalls den ersten Platz. Online-Videos spielen bei der Meinungsbildung heute schon eine wichtige Rolle und in Zukunft noch viel mehr: Laut einer aktuellen Kantar-Studie4 planen 84 Prozent der Marketingexperten, ihre Investitionen in Online-Videowerbung in den nächsten zwölf Monaten zu erhöhen.
Welche positiven Synergieeffekte sich daraus ergeben, wenn unterschiedliche soziale Medien miteinander kombiniert werden, zeigt das Beispiel #dolphingate von Followfood. Der Hersteller von nachhaltigen Lebensmitteln hat sich hier mit dem YouTube-Creator Nicolas Lazaridis, besser bekannt unter dem Pseudonym Inscope21, zusammengetan. In seiner Instagram-Story postete er ein Video, das zeigt, wie er einen Baby-Delfin für ein Dinner mit Freunden zubereitet. Die entsetzten Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten, so dass er den Prank nur einen Tag später auflöste.
Für sein Aufklärungsvideo wählte Inscope21 YouTube anstelle von Instagram, um schnell eine große Reichweite zu erzielen. Darin erklärt er, dass es sich bei dem Baby-Delfin um ein Modell aus dem 3D-Drucker handelt und er damit eine Lanze für nachhaltigen Konsum brechen wolle. Dieser Clip erzielte auf dem YouTube-Kanal InscopeLifestyle mehr als 2,5 Millionen Views und laut der verantwortlichen Agentur Tank Tank eine Gesamtreichweite von 20 Millionen sowie Medienberichte im Gegenwert von rund 10 bis 15 Millionen Euro. Stefan Zschaler, Gründer von Tank Tank, erläuterte gegenüber Horizont5: "Kritiker mögen sich fragen, was Followfood davon hat. Aber wenn nur ein Bruchteil der 20 Millionen den Absender und die Botschaft verstanden hat, haben wir schon viel erreicht – das gilt vor allem in Relation zu den überschaubaren Kosten."
Die genannten Beispiele zeigen, dass YouTube längst das Potenzial hat, eine wichtige, wenn nicht gar die tragende Rolle im Marketingmix zu übernehmen. Online-Videos helfen dabei, die Zielgruppe quasi in Echtzeit zu erreichen, einen Dialog aufzubauen und Reaktionen unmittelbar zu erfassen. Dabei stellt die Plattform von kritisch bis unterhaltsam bewegte Bilder für 45 Millionen monatliche Nutzer in Deutschland zur Verfügung. Eine durchaus relevante Reichweite, um Trends nicht nur anzustoßen, sondern sie zu einer großen Bewegung zu machen.