„Ich weiß, dass 50 Prozent des Geldes, das ich für Werbung ausgebe, zum Fenster hinausgeworfen sind“, soll einst Henry Ford gesagt haben. „Ich weiß nur nicht, welche Hälfte.“ Wo sich Marketingleute einst auf ihr Bauchgefühl verlassen mussten, gibt es längst unterschiedlichste Methoden und Tools, um die Wirksamkeit einer Kampagne zu messen. Noch besser wäre es allerdings, schon bei der Kampagnenplanung vorhersagen zu können, wie sich bestimmte Marketingmaßnahmen auf die angepeilten Ziele auswirken.
Genau das hatte die Commerzbank im Sinn, als sie gemeinsam mit dem Marketing-Analytics-Anbieter Analyx ein Marketing-Mix-Modeling aufsetzte. Ihr Ziel: die Neukundengewinnung sukzessive zu optimieren. „Wir wollten ein datengetriebenes Modell, das uns regelmäßig erlaubt, Budgets maximal effizient und faktenbasiert auf Kanäle zu allokieren“, sagt Marketingleiter Aydin Sahin. Marketingentscheidungen, so seine Überzeugung, sollten auf belastbaren Vorhersagen beruhen und „kein meinungsbasierter Prozess im Konzern sein“. Wie sehr sich dies auszahlte, offenbarte dabei insbesondere die überraschende Empfehlung des Modells zu Generic Search. Sie zeigte, wie sehr dieser Kanal häufig unterschätzt wird.
Ein holistischer Blick auf den Mediamix
Im Gegensatz zur Wirksamkeitsmessung einzelner Maßnahmen ermöglicht ein Marketing-Mix-Modeling den holistischen Blick auf sämtliche Mediamaßnahmen. So errechnet es zunächst, welchen Einfluss bestimmte Maßnahmen auf die Zielerreichung haben. Dabei berücksichtigt es auch nichtmediale Faktoren, die Einfluss auf das Kundenverhalten nehmen: von aktuellen Vertriebsaktionen und Preisveränderungen über Wettbewerbsaktivitäten bis hin zu externen Faktoren wie etwa dem Wetter. Die Commerzbank und Analyx fütterten ihr Modell mit Hunderten solcher Variablen und Daten aus über zwei Jahren, um herauszufinden, welche Faktoren den stärksten Einfluss auf die Neukundengewinnung haben. Auf Basis dieser Berechnungen empfahl das Modell dann, wie die Budgets zur Neukundenakquise idealerweise auf die genutzten Kanäle zu verteilen sind.
Signifikanter Einfluss auf die Neukundenakquise
Die Ergebnisse, die das Modell lieferte, bestätigten zunächst einige bestehende Erkenntnisse. Zum Beispiel, dass Bewegtbild- und Display-Ads als Kanäle zur Neukundengewinnung essenziell sind. Nicht selbstverständlich hingegen die Erkenntnis, dass Google-Textanzeigen, die zu generischen, nicht markenbezogenen Suchanfragen ausgespielt wurden, einen signifikanten Einfluss auf die Neukundengewinnung haben.
So wurde die nicht markenbezogene Suchmaschinenwerbung in der Marketing-Mix-Modeling-Analyse als dritteffizientester Kanal für die direkte und indirekte Kundengewinnung identifiziert. Das liegt vor allem an der hohen Elastizität des Kanals, durch die sich mit nur wenigen zusätzlichen Impressions signifikante Anstiege in der Neukundenakquise realisieren lassen. Und da zusätzliche Impressionen mit relativ geringen Kosten einhergehen, lassen sich die Maßnahmen gut skalieren. Daher empfahl das Modell eine Erhöhung des Budgets für die Non-Brand-Suche um 60 Prozent – eine Empfehlung, der Sahin und sein Team folgten. Im Folgezeitraum konnten die Online-Sales signifikant gesteigert werden, womit der durch das Modell empfohlene Online-Mix bestätigt wurde.
Nicht nur der letzte Klick ist entscheidend
Das Ergebnis des Modells ist insofern bemerkenswert, als der Fokus bei der Planung und Bewertung von Performance-Kampagnen häufig noch immer auf dem Last Click liegt, also auf dem Werbemittel, das direkt vor der Conversion geklickt wird – und im Bereich der Suchanzeigen beinhalten diese zumeist den Markenbegriff. Das Marketing-Mix-Modell der Commerzbank hat jedoch gezeigt, dass sich das Kaufverhalten der Kunden schon an einem viel früheren Zeitpunkt der Customer Journey positiv beeinflussen lässt.
Bei genauerer Betrachtung wird auch deutlich, warum: Ein Viertel der Internetrecherchen nach Finanzprodukten startet mit einer Google-Suchanfrage. Ganz weit vorne dabei sind die generischen Suchbegriffe „Girokonto“, „Ratenkredit“ und „Baufinanzierung“.1 Marken, die bereits an dieser Stelle mit Anzeigen in Erscheinung treten, bleiben offenbar während der gesamten Customer Journey relevant.
Um Neukunden zu gewinnen, sollte kein Punkt der Customer Journey außer Acht gelassen werden.
Bisher ließ sich diese Einsicht eher mit gesundem Menschenverstand oder Bauchgefühl verargumentieren als beweisen. Das Marketing-Mix-Modell der Commerzbank hat jedoch bewiesen, dass es einen positiven Effekt auf die Neukundenakquise hat, an jedem Punkt der komplexen Customer Journey präsent zu sein. Denn Kunden fällen Kaufentscheidungen nicht wie lange angenommen am Ende eines Funnels, sondern im Kreislauf zwischen der Informationssuche zu Produkten und Unternehmen und der Bewertung dieser Suchergebnisse – in der „messy Middle“ ihrer individuellen Customer Journey.
Vor allem haben sich Aydin Sahin und sein Team, unterstützt durch Analyx, jedoch ein Tool geschaffen, mit dem sie Budgetentscheidungen einfacher treffen und noch besser begründen können und das sich monatlich kalibriert und optimiert. „Es gibt schließlich keinen Grund, mehr Geld auszugeben, als man ausgeben muss. Wenn man die ideale Verteilung auf Kanäle findet, kann man seinen Einsatz minimieren“, sagt Sahin.