Peter Fader und Sarah E. Toms von der US-amerikanischen Elitehochschule Wharton haben vier typische Fehler erkannt, die der Gewinnung und Bindung besonders umsatzstarker Kunden im Weg stehen. Gleichzeitig bieten sie vier einfache Lösungen, um diese Fehler zu vermeiden.
Die Frage, ob Ihr Unternehmen kundenzentriert ist, würden Sie ganz sicher mit einem lauten Ja beantworten. Es könnte aber sein, dass Sie sich irren.
In den Jahrzehnten, in denen wir als Dozenten und Berater tätig waren, ist uns Folgendes aufgefallen: Die meisten Unternehmen machen vier Fehler, wenn es darum geht, besonders umsatzstarke Nutzer zu akquirieren und zu binden – also kundenzentriert zu sein. Glücklicherweise kennen wir aber auch vier einfache Lösungen, wie Unternehmen den Kunden in den Mittelpunkt stellen und damit letztlich erfolgreicher sein können.
1. Fehler: Kunden als eine Einheit betrachten
Als Werbetreibende sind wir darauf spezialisiert, Kunden als Könige anzusehen und all unsere Bemühungen auf sie auszurichten. Das Ergebnis? Wir behandeln sie wie eine Einheit und messen unseren Erfolg an den Unzufriedensten. Doch Kunden lassen sich nicht in eine einzelne Schublade stecken. Bei einigen von ihnen ist es egal, wie viel Zeit, Geld und Ressourcen man in sie investiert – sie werden einfach kein größeres Interesse an unseren Produkten oder unserer Marke zeigen.
Lösung: akzeptieren, dass alle Kunden verschieden sind
Zuerst einmal ist ein Umdenken nötig: Sie müssen verstehen, dass alle Kunden unterschiedlich wertvoll für Sie sind. Dann können Sie die folgenden Maßnahmen angehen.
Als Erstes sollten Sie herausfinden, wie umsatzstark Ihre Bestandskunden sind. Ihnen stehen heute zahlreiche Daten zu Ihren Nutzern zur Verfügung. Das müssen Sie ausnutzen und differenziert mit den Informationen umgehen. So können Sie individuell auf die Kunden eingehen. Sollte ein Nutzer, der vor Monaten etwas gekauft und seitdem kein Interesse mehr gezeigt hat, dieselbe Aufmerksamkeit bekommen wie Ihre treuesten Kunden? Mit Sicherheit nicht. Sind die Nutzer heterogen, sollten Sie auch Ihre Herangehensweise anpassen.
2. Fehler: einen isolierten Ansatz verfolgen
Viele Unternehmen machen einen weiteren typischen Fehler: Sie wählen häufig eine isolierte Herangehensweise. So kann es sein, dass das Vertriebs- und das Marketingteam zwei ganz unterschiedliche Strategien haben, die sich nicht miteinander vereinen lassen. Oder es kommt vor, dass manche Teams nicht auf die Informationen aus anderen Abteilungen zugreifen können und daher Entscheidungen blind treffen.
Lösung: teamübergreifend denken und handeln
Je weiter ein Kaufprozess voranschreitet, desto mehr Touchpoints hat ein Nutzer mit den verschiedenen Abteilungen Ihres Unternehmens. Wenn Sie eine isolierte Herangehensweise verfolgen, kann das einen potenziellen Kunden leicht verwirren. Daher sollten Sie dafür sorgen, dass alle Teams wissen, wie Kundenorientierung im Unternehmen umgesetzt werden soll.
Der Videospielentwickler EA Sports hat vorgemacht, wie das geht. Im Unternehmen gibt es ein zentrales Team, das Daten zu den umsatzstärksten Nutzern gewinnt und allen Mitarbeitern zur Verfügung stellt – vom Designer bis zum Marketingexperten. Stellt sich beispielsweise heraus, dass die Spieler von einem bestimmten Aspekt eines Games genervt sind, wird diese Information mit den Entwicklern geteilt. So wissen sie, was sie verbessern müssen. Diese kundenzentrierte Herangehensweise ist ein voller Erfolg: Von Mitte 2012 bis Mitte 2018 ist der Aktienwert von Electronic Arts um 1.000 Prozent gestiegen.
3. Fehler: nur Verkaufsvolumen und Kosten messen
Früher konnte man nur anhand von Verkaufszahlen und Investitionen bestimmen, ob ein Unternehmen erfolgreich ist. Heute lassen sich viel mehr Faktoren messen. Trotzdem verlassen sich viele Unternehmen immer noch ausschließlich auf das Verkaufsvolumen und die Ausgaben.
Lösung: auf Messwerte setzen, die den Kundenwert widerspiegeln
Sich auf das Verkaufsvolumen und die Kosten zu konzentrieren, ist nicht grundsätzlich schlecht. Das Problem ist allerdings, dass andere, noch wichtigere Messwerte dabei oft vernachlässigt werden. Was halten Sie beispielsweise für den größeren Erfolg: einen Verkaufsschlager, bei dem Millionen von einmaligen Kunden zugreifen, oder ein Produkt, das etwas weniger Nutzern gefällt, die dann aber noch einmal bestellen? Die Antwort sollte klar sein.
Das Streamingportal Netflix vertraut schon immer auf diese Strategie. Die meisten Anbieter produzieren Serien, die ein breites Publikum ansprechen und möglichst wenig kosten. Netflix dagegen setzt auf Shows, die den treuesten Nutzern gefallen sollen. Einige dieser Serien werden am Ende durchaus sehr erfolgreich, doch darum geht es anfangs nicht. Ziel des Unternehmens ist es nicht, möglichst viele Nutzer zum Zuschauen zu bewegen. Es sollen stattdessen die richtigen Kunden mit den Inhalten und der Plattform interagieren.
4. Fehler: Sie und Ihre externen Partner ziehen nicht am selben Strang
Sie haben sich nun also entschieden, anhand welcher Daten Sie die Kundenorientierung messen wollen. Und Sie haben Ihr gesamtes Unternehmen auf Ihrer Seite. Dann ist immer noch eine Hürde zu nehmen: Sie müssen Ihre externen Partner auf denselben Stand bringen. Denn wahrscheinlich konzentrieren diese sich noch auf dieselben Messwerte zu Verkaufsvolumen und Kosten wie in den vorigen Quartalen.
Lösung: deutlich mit externen Partnern kommunizieren
Wenn Ihre externen Partner immer noch auf Messwerte setzen, die für Ihr Unternehmen keinen Nutzen haben, werden Sie niemals kundenzentrierter. Auch dem folgenden erfolgreichen Unternehmen ist Kundenorientierung sehr wichtig: Amazon.
In seinem ersten Aktionärsbrief stellte Jeff Bezos klar, dass er nicht an kurzfristigen Gewinnen, sondern an einem langfristigen Erfolg interessiert ist. "Dadurch treffen wir vielleicht andere Entscheidungen und bewerten Kompromisse unterschiedlich", kündigte er darin an. "Wir messen uns an den Faktoren, die für eine Marktführerschaft am wichtigsten sind: dem Kundenzuwachs und der Umsatzsteigerung, der Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde wiederholt bei uns einkauft, und der Bedeutung unserer Marke." Diese deutlichen und offenen Worte an seine externen Partner haben sich ausgezahlt: Heute wird fast die Hälfte des Umsatzes im US-amerikanischen Onlinehandel durch Amazon erzielt.
Die genannten vier Punkte wurden aus The Customer Centricity Playbook, einem neuen Buch von Peter Fader und Sarah E. Toms, und aus ihrem Customer Centricity Manifesto übernommen.