Als Global Head of Customer Analytics bei Google hat Neil Hoyne sich jahrelang mit den technischen Aspekten von Analysen beschäftigt und entsprechende Schlussfolgerungen gezogen. In diesem Artikel erklärt er, worauf es bei der Analyse von Daten und Messwerten ankommt.
Immer wieder erlebe ich, dass Unternehmen in Zusammenhang mit Daten eklatante Fehler begehen und sich der Möglichkeit berauben, aus Versuch und Irrtum zu lernen.
Mithilfe von Daten können Werbetreibende fundierte Entscheidungen treffen und Risiken besser kalkulieren. Aber manchmal führen auch die besten Absichten zu falschen Lösungen. Es ist nicht immer einfach, Daten zu interpretieren. Manche Werbetreibende erzielen unbefriedigende Ergebnisse, weil sie sich nicht zugestehen, Fehler zu machen, daraus zu lernen, sich weiterzuentwickeln und ihre gesammelten Erfahrungen zur Optimierung zu nutzen.
Eine misslungene Kampagne kann ebenso lehrreich sein wie eine geglückte. Und Werbetreibende, die das Richtige perfekt umsetzen möchten, können aus Situationen lernen, in denen sie damit nicht erfolgreich waren.
Marketingexperten sind mittlerweile Spezialisten darin, das Falsche zu tun, weil sie nach dem Motto "So haben wir das schon immer gemacht" handeln. Ihre Unternehmen erwarten Erfolge von ihnen, auch wenn sie auf ungeeignete Verfahren, falsche Marketingkanäle oder Kunden setzen, die dem langfristigen Wachstum des Unternehmens eher abträglich sind.
Für Spitzenunternehmen sind Messwerte nicht nur Zahlen. Sie werden vielmehr als Chance begriffen, Situationen und Strategien zu hinterfragen.
Ich weiß aber auch, wozu Unternehmen imstande sind, wenn sie es zulassen, Schritte in die richtige Richtung zu machen, auch wenn sie dabei erst einmal scheitern.
Ich möchte Ihnen vermitteln, wie erfolgreiche datenorientierte Unternehmen denken und wie Sie das auf Ihr Unternehmen übertragen können.
Tipps für ein erfolgreiches datenorientiertes Unternehmen
Messwerte als Teilaspekt des Gesamtbilds betrachten
Daten isoliert zu betrachten, ist einer der größten Fehler, den Werbetreibende begehen können. Wenn Sie Ihre Daten zu stark vereinfachen, verlieren sie an Aussagekraft.
Eines habe ich von erfolgreichen Unternehmen gelernt: Datenerfassung ist für sie kein Selbstzweck. Mit jedem Messwert, den sie definieren und nach dem sie optimieren, gehen sie etwas mehr in die Tiefe und hinterfragen ihre Strategien.
● Weiß ich, was dieser Messwert eigentlich bedeutet? Nehmen wir beispielsweise Conversions. Sie spielen für jedes Unternehmen eine zentrale Rolle. Aber Conversion ist nicht gleich Conversion. Bei Nutzern, die mehrere Geräte verwenden, bei View-through-Conversions und bei Kunden, die aufgrund einer Onlineanzeige einen Offlinekauf abschließen, stellen wir große Unterschiede zwischen den jeweiligen Plattformen fest. Diese Unterschiede wirken sich auf die Interpretation der Leistungsanalyse und auf künftige Investitionen aus. Bei der Auswertung der einzelnen Messwerte ist es daher wichtig, die entsprechenden Besonderheiten und Unterschiede zu berücksichtigen.
● Was könnte den Messwert wie beeinflussen? Andy Grove, ehemaliger CEO bei Intel, hat einmal gesagt, zu jedem Messwert müsste es ein Gegenstück geben, das den negativen Auswirkungen des Werts Rechnung trägt. Eine wirklich gute Überlegung. Wenn Sie beispielsweise versuchen, mit Sonderangeboten und Gutscheinen viele Kunden zu gewinnen, sollten Sie sich auch fragen, inwieweit sich das auf den Gewinn, die Margen und die Kundenbindung auswirkt.
● Berücksichtige ich alle Erkenntnisse, die meine Messwerte liefern? Konzentrieren Sie sich nicht allein auf das, was nicht funktioniert. Überlegen Sie vielmehr, was Sie aus dem, was gut funktioniert, lernen und wie Sie es weiter verbessern können. Wenn Sie ein Schuhgeschäft besitzen und Nutzer erfolgreich dazu animiert haben, online mehrere Paar Schuhe zu kaufen, ist das ein großer Erfolg. Aber warum hat es funktioniert? Wissen Sie das? Und lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse auf andere Marketingaktivitäten übertragen?
Meiner Erfahrung nach sind Messwerte für erfolgreiche Unternehmen nicht nur Zahlen. Sie werden vielmehr als Chance begriffen, Situationen und Strategien zu hinterfragen. Zum Beispiel: Wohin steuert der Markt? Worauf müssen wir künftig stärker achten? Dabei wird immer auch berücksichtigt, dass ein einzelner Messwert nur Teil des Gesamtbilds ist.
Menschliches Verhalten einkalkulieren
Maschinelles Lernen gewinnt immer mehr an Bedeutung und bringt uns wichtige Erkenntnisse. Aber Menschen sind keine Maschinen. Deshalb sind ihre Gebots- und Kaufentscheidungen nicht immer rational und effizient. Sie reagieren nicht unbedingt so, wie Sie es vielleicht erwarten. Als Werbetreibender müssen Sie sich darauf einstellen und nicht nur die Daten, sondern auch das menschliche Verhalten dazu interpretieren können. Denn das ist es, was Ihr Unternehmen nach vorn bringen kann.
Hier einige Beispiele dafür, was ich von aktuellen Studien zur Verhaltensökonomie mitgenommen habe:
● Langsam bedeutet nicht immer, dass sich potenzielle Kunden abwenden. Aber eine schnellere Websitegeschwindigkeit ist ganz sicher besser. Je länger Nutzer darauf warten müssen, dass eine Website geladen wird, desto eher springen sie ab. Eine Studie der Harvard Business School hat allerdings ergeben, dass Nutzer bei "operativer Transparenz" durchaus Websites mit längeren Ladezeiten akzeptieren und manchmal sogar vorziehen, solange sie wissen, welcher Prozess gerade stattfindet. Wenn Sie zeigen, dass der betriebene Aufwand im Interesse des Kunden ist, kann das zu mehr Loyalität und Vertrauen Ihrem Unternehmen gegenüber beitragen. Ein gutes Beispiel ist der Tracker von Domino’s Pizza, bei dem Sie über jeden Schritt auf dem Weg zur Pizzalieferung informiert werden.
Manchmal können Preissenkungen tatsächlich zur Abwanderung von Kunden führen.
● Die Tücken vorausblickenden Handelns. Viele Dienstleistungsunternehmen setzen angesichts des zunehmenden Kundenverlustes auf günstigere Preismodelle, um zu zeigen, dass sie sich um ihre Kunden bemühen und ihnen mehr Vorteile bieten möchten. Wissenschaftler der Columbia, der Wharton und der IAE Business School haben allerdings festgestellt, dass diese Strategie den gegenteiligen Effekt haben kann: Werden Kunden animiert, auf kostengünstigere Modelle umzusteigen, verstärkt das möglicherweise die Abwanderung. Manchmal werden die Kunden dadurch erst angeregt, etwas Neues auszuprobieren, und sie sehen sich dann nach anderen Anbietern um.
Ich empfehle Ihnen nicht, Ihre bisherige Erfahrung wegen dieser Beispiele von unverständlichem Verbraucherverhalten außer Acht zu lassen. Aber Sie sollten wissen, dass nicht jedes Detail des Kaufprozesses vorhersehbar ist. Wie viel Sie auch analysieren, Sie werden nicht alles erfassen. Wir Menschen sind nicht perfekt und deshalb sind es auch die Daten nicht.
Fehler zulassen
Bei der Arbeit mit kleineren Unternehmen oder Start-ups erleben wir immer wieder sehr klägliche Versuche im Marketing. Aber das gehört wohl zum Wachstum dazu. Wir können allerdings sehr viel davon lernen, wie diese Unternehmen auf solche Fehlschläge reagieren: Sie blicken nach innen. So ziehen sie in Betracht, dass ihre Marke vielleicht noch nicht stark genug ist oder sie in dieser frühen Phase ihre Kampagnen nicht richtig optimiert haben. Doch sie suchen die Verantwortung nicht irgendwo außerhalb.
Bei der Leistungsmessung spielen mehrere Komponenten eine Rolle. Misserfolg ist eine davon.
Bei größeren Unternehmen erlebe ich immer wieder, dass sie etwas ausprobieren und sofort auf eine neue Strategie umstellen, die ihnen Erfolg bringen soll, wenn sie damit scheitern. Man argumentiert, es fehle einfach an Kunden oder der gewählte Kanal eigne sich nicht für das Unternehmen.
Hier muss, unabhängig von der Unternehmensgröße, folgender Grundsatz zum Programm werden: Das Richtige tun, auch wenn das Ergebnis nicht sofort befriedigend ist. Bei der Leistungsmessung spielen mehrere Komponenten eine Rolle. Misserfolg ist eine davon.
Akzeptieren Sie, dass Sie und Ihre Teams auch Fehler machen – in dem Verständnis, dass dies der erste Schritt zum Wachstum ist. Und dass Wachstum nur entstehen kann, wenn Sie sich unter Berücksichtigung Ihrer Erfolge und Misserfolge Fragen stellen. Die wichtigste ist: Was ist für mich das Richtige?
Selbst wenn Sie nicht sofort entsprechend handeln können – die Antwort auf diese Frage zu kennen, ist der erste Schritt, das Richtige gut umzusetzen.