Mit programmatisch garantierten Kampagnen lassen sich hervorragende Ergebnisse erzielen. Allerdings nur dann, wenn digitale Publisher zuvor ihre aktuellen Workflows analysieren und gegebenenfalls Änderungen an der Unternehmensstruktur vornehmen. So schreibt es Jerry Miller, Head of Revenue Intelligence für Nord- und Südamerika bei Google.
Sein Artikel wurde in der September-/Oktoberausgabe 2018 des Magazins The Financial Manager veröffentlicht.
Vor ein paar Jahren sah sich der Pharmariese GlaxoSmithKline (GSK) mit einem Imageproblem konfrontiert. "In der Öffentlichkeit wurde unser Unternehmen als 'gesichtslos' wahrgenommen", erinnert sich Kelly O'Callaghan, Vice President des Global Players GSK. Deshalb wurde eine Medienkampagne in Auftrag gegeben, um die menschliche Seite des Unternehmens zu präsentieren. Außerdem wollte GSK zeigen, dass durch seine Arbeit Menschenleben gerettet werden.
Es ist schon beinahe paradox, dass die von GSK beauftragte Agentur Mediacom Worldwide der Öffentlichkeit die menschliche Seite des Unternehmens ausgerechnet mithilfe von Automatisierung präsentierte. Zunächst kaufte die Agentur Videoanzeigen auf Premium-Websites, wie der des Magazins Time, der Onlinezeitung HuffPost und der Nachrichtenagentur Reuters. Dann wurden mit Tools für Programmatic Advertising die leistungsstärksten Zielgruppensegmente ermittelt und die Anzeigeneinkäufe entsprechend optimiert.
So erzielte GSK über acht Millionen Aufrufe. Die View-through-Rate der Kampagne betrug fast 66 Prozent bei einem Cost-per-View von etwa 0,04 US-Dollar. "Daraufhin änderte sich die öffentliche Wahrnehmung", betont O'Callaghan.
GSK und Mediacom nutzten dazu programmatisch garantierte Kampagnen von Google. Dabei werden die Vorteile von traditionellen Reservierungskäufen mit der effizienten, durch Algorithmen gesteuerten Entscheidungsfindung kombiniert. Bei diesen Kampagnen können Agenturen und Werbetreibende hochwertiges Inventar von Premium-Publishern zu einem Festpreis erwerben. Die Anzeigenauslieferung an die Leser der Publisher wird automatisch vom System optimiert.
Es ist aber durchaus möglich, dass Sie zunächst Ihre Strategie und gewisse Unternehmensstrukturen grundlegend ändern müssen, um optimal von einem programmatischen System zu profitieren.
Vorteile von Programmatic Advertising
Die digitale Revolution hat die Anzeigenwelt komplett verändert. Werbetreibende können Nutzern jetzt relevante Botschaften präsentieren und die Reaktionen direkt analysieren. Dadurch lässt sich der Return on Investment weitaus genauer messen.
Allerdings gibt es nach wie vor Herausforderungen. Mit Echtzeitgeboten (Real-Time-Bidding, RTB) kann zwar sehr effizient relevante Werbung präsentiert werden, aber Publisher und Werbetreibende haben dabei nur eine begrenzte Kontrolle über die einzelnen Anzeigen.
Mit den gängigen direkten Reservierungsaufträgen werden nur Anzeigen von ausgewählten Unternehmen bei Premium-Publishern ausgeliefert, die Verwaltung dieser Vereinbarungen ist jedoch kostspielig und zeitaufwendig. Zudem sind für einen regulären Reservierungsauftrag mehr als 40 Schritte erforderlich, viele davon manuell. Der Vorgang ist dadurch sehr fehleranfällig.
Publisher können programmatisch garantierte Deals mehr als doppelt so schnell einrichten und verwalten wie traditionelle Direktanzeigen.
Bei programmatisch garantierten Kampagnen werden nicht nur die Vorteile dieser beiden Ansätze kombiniert, sondern auch ihre Schwachstellen minimiert.
Eine im Februar 2018 veröffentlichte Studie der Boston Consulting Group (BCG) belegt, dass Publisher programmatisch garantierte Deals fast doppelt so schnell einrichten und verwalten können wie traditionelle Direktanzeigen. Und die Agenturen verzeichneten eine Effizienzsteigerung von nahezu 30 Prozent.
Woran liegt das? Bei programmatisch garantierten Kampagnen fallen viele Schritte einfach weg: das Erstellen und Scannen von Anzeigenaufträgen, die erneute manuelle Dateneingabe, Fehlerkorrektur und Generierung von Bestätigungsberichten, das Warten auf Entscheidungen, während Dokumente verschiedene Abteilungen durchlaufen, und auch das Nachverfolgen von Zahlungen. Mit programmatischen Systemen können Werbetreibende den richtigen Nutzern relevante Botschaften zur passenden Zeit präsentieren. Dadurch lässt sich der Anteil an Anzeigen mit geringer Leistung deutlich senken und ein erheblich höherer ROI erzielen.
Ein weiterer Vorteil ist die finanzielle Effizienz. Bei den meisten traditionellen Reservierungsdeals werden Publisher alle 60 oder 90 Tage bezahlt. Programmatisch garantierte Transaktionen werden alle 30 Tage ausgezahlt.
Wenn Sie auf ein programmatisches System umstellen, können Sie zudem Ihre Finanzabteilung entlasten, da die konsolidierte Abrechnung möglich ist. Sie müssen sich also nicht länger mit mehreren Rechnungen für jeden direkten Deal aufhalten und aufwendige Abgleiche am Monatsende durchführen, denn es gibt nur noch eine Rechnung und Zahlung.
Vorbereitung
Es gehört allerdings einiges dazu, damit sich Programmatic Advertising auszahlt. Eine neue technische Lösung für Werbung ist bei Weitem nicht ausreichend. Wie aus der BCG-Studie hervorgeht, wurden die beeindruckenden Produktivitätssteigerungen erst erzielt, nachdem Publisher und Agenturen ihre Workflows optimiert und sich Fachwissen mithilfe von Experten angeeignet hatten. Laut der Studie erhöhten 60 Prozent der Publisher die Menge der programmatisch garantierten Anzeigen und 50 Prozent die CPM-Preise erst, nachdem sie einen Programmatic Advertising-Spezialisten hinzugezogen hatten.
Vorgehensweise
1. Aktuellen Workflow analysieren: Ermitteln Sie, wie viele Ihrer Mitarbeiter an einer Kampagne beteiligt sind. Ein Beispiel: Für eine "normale" Kampagne müssen zwei Vertriebsmitarbeiter jeweils fünf und ein Trafficker zwei Arbeitsstunden investieren. Ein Buchhalter beansprucht eine weitere Stunde. Mit programmatischen Transaktionen lässt sich dieser zeitliche Aufwand um 30 bis 60 Prozent reduzieren. Wie würde sich dies auf die gesamte Kampagnenbearbeitung auswirken? Wo könnten Sie frei gewordene Ressourcen anderweitig einsetzen?
2. Finanzielle Vorteile ermitteln: Stellen Sie fest, wie sich ein 30-Tage-Zyklus bei der Rechnungsabstimmung für Ihr Unternehmen auszahlen würde. Könnten Sie dann mehr Content produzieren? Neue Mitarbeiter einstellen? In profitablere Märkte investieren oder Zinsen auf revolvierende Kredite sparen?
3. Kosten analysieren: Berechnen Sie, wie viel Sie dem Plattformanbieter für diese Art von Deals zahlen. Machen die anderen Vorteile die Umsatzbeteiligung wett? An welchem Punkt zahlt sich der Einsatz des Anbieters nicht mehr aus?
4. Fachwissen und Kompetenzen bewerten: Hat Ihr Unternehmen die erforderlichen Fachkräfte? Normalerweise befassen sich die Vertriebsmitarbeiter von Publishern hauptsächlich mit traditionellen Deals. Auf Programmatic Advertising konzentrieren sich meist höchstens zwei Account Executives. Dieses Verhältnis muss unter Umständen umgekehrt werden.
5. Geschäftsregeln definieren: Nachdem Sie die programmatischen Transaktionen analysiert und dabei sämtliche Faktoren berücksichtigt haben, müssen Sie entscheiden, wo sie am besten eingesetzt werden können. Wo liegt der Break-even-Point bei traditionellen Deals? Und wo bei programmatischen Deals?
In den meisten Fällen ergibt sich die Antwort von selbst.
Der Umbruch steht vor der Tür
Programmatische Transaktionen verdrängen das herkömmliche digitale Marketing sicher nicht vollständig. eMarketer geht aber davon aus, dass in zwei Jahren 86 Prozent aller Werbeausgaben für programmatische Anzeigen aufgewendet werden. 2020 soll eine Summe von 66 Milliarden Dollar erreicht werden. Es verbleiben dann aber immer noch 10 Milliarden Dollar, die auf andere Sponsorships und traditionelle Deals zu verteilen sind. Mittelfristig wird die digitale Anzeigenlandschaft komplex und differenziert bleiben.
In zwei Jahren werden 86 Prozent aller Werbeausgaben für programmatische Anzeigen aufgewendet. 2020 soll eine Summe von 66 Milliarden Dollar erreicht werden.
Unternehmen müssen selbst herausfinden, wie sie programmatisch garantierte Kampagnen am besten in ihre Marketingstrategie integrieren. Eigentlich ist es ganz einfach: Wenn bei programmatisch garantierten Transaktionen die finanzielle und betriebliche Effizienz überwiegt, sollten Publisher diesen Weg beschreiten.
Natürlich erfolgt eine solche Umstellung nicht von heute auf morgen. Unternehmerische Trägheit und eine verzerrte Wahrnehmung des eigenen Status quo verhindern häufig einen schnellen Wandel. Publisher-Teams, Mediakäufer und Vertriebsmitarbeiter werden sich nicht von jetzt auf gleich umstellen. Sicher ist aber: Der Umbruch kommt, ausgelöst durch Käufer und Werbetreibende.
Unternehmen sollten bereits jetzt die betrieblichen und finanziellen Vorteile analysieren, Geschäftsregeln ausarbeiten und ihre Organisation umstrukturieren, um dem kommenden Paradigmenwechsel entspannt entgegenzusehen.
Erfahren Sie mehr darüber, wie Sie Anzeigen kostengünstiger und effizienter nutzen können, in "Mediaoptimierung: Einkäufe kombinieren und Reichweite steigern".