
Künstliche Intelligenz ist im Marketing endgültig angekommen und verändert die Spielregeln rasant. 2025 wird ein entscheidendes Jahr: weg vom Hype, hin zu handfesten Lösungen. Denn die Zeiten wandeln sich: Während Marketer letztes Jahr noch mit KI experimentierten, rücken 2025 ganz neue Prioritäten in den Vordergrund. Der Fokus liegt auf messbaren Ergebnissen und individuellen Kundenerlebnissen. Statt auf allgemeine Botschaften setzen Trendsetter*innen jetzt auf die personalisierte Ansprache mittels KI – und das über alle Kanäle hinweg.
Doch wie gelingt der Sprung vom KI-Experiment zur erfolgreichen Anwendung? Wir haben Bernd Fauser, Managing Director, DACH Partners & Solutions bei Google, gefragt, welche aktuellen KI-Trends er für 2025 sieht, wie Unternehmen KI erfolgreich einsetzen können und welche Skills Marketer unbedingt brauchen.
Bernd, du bekommst als einer der Ersten die neuesten KI-Innovationen von Google zu sehen. Kannst du aus deiner Sicht beschreiben, welche Trends und Entwicklungen im KI-Bereich aktuell am wichtigsten sind?
Bernd: Starten wir einmal ganz am Anfang: Die Neugier ist dem Menschen angeboren und es wird immer mehr Fragen als Antworten geben. Mehr als zwei Milliarden Menschen nutzen die Google Suche täglich und 15 Prozent der Suchanfragen sind jeden Tag neu!1 Es ändert sich aber nicht nur, was die Menschen fragen, sondern auch wie: Wir sehen über 20 Milliarden „visual searches“ jeden Monat2 – insbesondere für die jüngere Generation ersetzt die Kamera zunehmend die Tastatur („The camera is the new keyboard“). Deshalb entwickeln wir die Google Suche immer weiter. Mit Übersichten mit KI bieten wir Nutzerinnen und Nutzern mehr als nur Links. Wir liefern konkrete Antworten und helfen ihnen, schneller ans Ziel zu kommen. In den USA sehen wir dabei bereits spannende Trends: Die Nutzerinnen und Nutzer sind engagierter, zufriedener und besuchen eine breitere Auswahl an Webseiten, um Antworten auf ihre Fragen zu finden.3
Was sind die Auswirkungen auf Marketing und Marketer?
Bernd: Marketing gehört zu den Branchen, die am stärksten von KI betroffen sein werden. Ich sehe enormes Potenzial, aber auch große Herausforderungen, die wir gemeinsam meistern müssen. KI wird die gesamte Wertschöpfungskette umkrempeln:
- Wie entwickelt sich die Nachfrage? KI hilft uns, enorme Datenberge zu analysieren und Trends zeitnah zu identifizieren.
- Wie bewerbe ich mein Produkt oder meine Leistung? KI hilft Werbetreibenden dabei, ihr Produkt oder ihre Leistung an die unterschiedlichsten Formate, für die unterschiedlichsten Kanäle, Oberflächen, Endgeräte und Kund*innen anzupassen. In einem Bruchteil der Zeit und Kosten.
- Wie erreiche ich meine Kundinnen und Kunden? Die Zeiten, in denen man Zielgruppe, Kanal, Format und Werbemittel vorher genau definieren musste, sind vorbei. Heute gibt man Kampagnenziele vor und den Rest erledigt die KI mit fast unfassbarer Geschwindigkeit und Präzision.
- Wie messe ich den Erfolg? In einer Welt, in der die Kundinnen und Kunden sich auf unterschiedlichsten Plattformen und Geräten aufhalten und sich die Datenbasis für Werbetreibende immer stärker fragmentiert, hilft KI, die Lücken zu schließen und eine zuverlässige Erfolgsmessung zu gewährleisten.
KI-Chatbots waren der Auslöser für das massive Interesse an KI, was kommt als Nächstes?
Bernd: Richtig, der KI-Boom wurde mit einem eigentlichen Nebenprodukt, den sogenannten Chatbots, ausgelöst. Auf geradezu magische Art und Weise können die neuesten Modelle Texte, Bilder und Audiosignale nicht nur verstehen, sondern auch selbst erschaffen. Die nächste Entwicklungsstufe sind die sogenannten KI-Agenten, die bestimmte Aufgaben weitgehend selbstständig erledigen können. Sie können beispielsweise Produkte in den Warenkorb legen oder Bestellungen aufgeben. Das ist eine ganz neue Dimension von KI. Die Chatbots, die uns heute so begeistern, sind nichts anderes als erste Gehversuche auf dem Weg zu wirklich intelligenten Systemen. Was wir heute erleben, ist nur ein „Warm-up“ für die unglaubliche Entwicklung, die noch vor uns liegt.
Werden die KI-Agenten 2025 selbstständig aktiv sein und mich mit Informationen versorgen, ohne dass ich etwas tun muss?
Bernd: Da wird die Reise auf jeden Fall hingehen. KI wird immer besser darin, Aufgaben zu automatisieren und zu unterstützen. Und KI-Agenten werden noch einen Schritt weiter gehen und andere Aufgaben – auch im Marketing – komplett übernehmen können. Ende letzten Jahres haben wir einen KI-Agenten (Project Mariner) vorgestellt, der in der Lage ist, den Chrome-Browser eigenständig zu steuern, Webinhalte zu erfassen, Schaltflächen anzuklicken und Formulare eigenständig auszufüllen. Sicherheit und Benutzerkontrolle sind dennoch gewährleistet – der KI-Agent kann beispielsweise nicht einfach der Annahme von Cookies zustimmen oder Käufe selbstständig abschließen. Ein anderes Beispiel ist Astra, unser Forschungsprojekt für einen universellen KI-Assistenten auf Android-Smartphones oder in Smartglasses. Astra kann mehrsprachig kommunizieren, Google Search, Lens und Maps verwenden, sich an frühere Konversationen erinnern und Sprache in Echtzeit verstehen. Das alles wird uns in Zukunft viel Zeit und Mühe ersparen und die Produktivität enorm steigern. Marketer werden sich in Zukunft mehr auf strategische Aufgaben konzentrieren, die wirklich den Unterschied machen.

Kommen wir von der Theorie zur Praxis: Hast du konkrete Beispiele, die zeigen, wie Unternehmen in Deutschland heute schon erfolgreich KI für sich nutzen?
Bernd: Auf jeden Fall! Douglas beispielsweise hat eine Customer Data Platform (CDP) aufgebaut, um Kundeninformationen zu bündeln und zu analysieren. Mithilfe von KI können sie so beispielsweise gezielt Kundinnen und Kunden ansprechen, wenn deren Kosmetikprodukte gerade zur Neige gehen. Ein weiteres Beispiel ist Zooplus. Der Online-Zoohändler musste früher viel Zeit und Mühe investieren, um die besten Kanäle für die Neukundengewinnung in verschiedenen Ländern zu finden. Jetzt übernimmt eine KI diese Aufgabe und steuert die Marketingaktivitäten optimal aus. Auch Tourlane nutzt KI erfolgreich. Mit generativer KI hat der Reiseanbieter seine Werbemittel so optimiert, dass sie bessere Klickraten generieren. Sucht jemand beispielsweise nach einem Urlaub in der Karibik, werden Bilder von traumhaften Karibikstränden angezeigt. Eine generative KI erstellt automatisch passende Bilder zu den Suchanfragen, während eine weitere KI die Anzeigen zielgruppengenau ausspielt. Und ein für mich persönlich besonders interessantes Beispiel ist die Initiative „The Smile Effect“ von Bayer Laif. Um das Bewusstsein für mentale Gesundheit zu stärken, hat der Pharmakonzern einen digitalen Hub entwickelt, der basierend auf einem Lächeln Zugang zu wertvollen Informationen oder Rabattcodes in stationären Apotheken bietet. Um feststellen zu können, dass Nutzerinnen und Nutzer lächeln, setzt Bayer Laif eine anonyme Technologie ein, die auf Googles Open-Source-Plattform TensorFlow basiert. Zusätzlich unterstützte Google AI bei der Optimierung der Mediastrategie, um eine möglichst breite Zielgruppe zu erreichen. Diese Beispiele zeigen, wie vielfältig KI bereits heute in deutschen Unternehmen eingesetzt wird und welches Potenzial in ihr steckt.

Das bringt uns direkt zum nächsten Punkt: Wie verändert KI die Arbeit von Marketern? Welche Fähigkeiten sind heute besonders gefragt?
Bernd: Nehmen wir das Beispiel der Agenturen. Es hieß ja schnell, die KI-Revolution würde sie überflüssig machen. Doch Agenturen erfinden sich im KI-Zeitalter neu. Sie haben die Zeichen der Zeit erkannt und agieren proaktiv. Sie nutzen KI-Tools, um schnell Prototypen zu bauen, Bilder zu bearbeiten und Drehs effizienter zu gestalten. Sie optimieren Kampagnen und erstellen Mediaplanungen mit KI-Modellen. Sie eignen sich die Technologie an und automatisieren damit früher manuelle Aufgaben. So gewinnen sie Zeit für kreative und strategische Arbeit. Ich kann allen Marketern nur empfehlen, sich mit KI auseinanderzusetzen und die neuesten Tools auszuprobieren. Denn die Zukunft gehört denen, die den Mut haben, neue Wege zu gehen.
Kannst du uns drei konkrete Skills nennen, die Marketer 2025 brauchen werden?
Bernd: Erstens: Neugier und Offenheit. Der größte Wettbewerber ist nicht die KI selbst, sondern die Person, die sie nutzt. Marketer müssen neugierig sein, KI-Tools testen und ihre Möglichkeiten ausschöpfen. Wer skeptisch ist und abwartet, wird den Anschluss verlieren. Zweitens: Anpassungsfähigkeit und Resilienz. Marketer müssen sich an neue Gegebenheiten anpassen und ihre Fähigkeiten ständig weiterentwickeln. Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle und Prozesse bereits jetzt überarbeiten, zeigen, wie wichtig Resilienz ist. Drittens: Hands-on-Mentalität. Marketer sollten sich aktiv mit KI auseinandersetzen und die Tools selbst ausprobieren. Nur so können sie die Möglichkeiten und Grenzen der Technologie verstehen. Zum Start bieten sich auch unsere KI-Trainings oder die Marketing Expert Journey an.

Und was sollten Marketer beachten, die gerade erst anfangen, mit KI zu experimentieren?
Bernd: Ich empfehle, KI als Reise mit verschiedenen Etappen zu sehen. Zum Start der KI-Transformation sollten Marketer eine passende Datenstrategie entwickeln, erste KI-gestützte Kampagnen zum Beispiel mit Performance Max oder Demand Gen gegen manuelle testen. Und bei Erfolg skalieren und mithilfe von generativer KI die Kreation beschleunigen – im Idealfall sogar während laufender Kampagnen. Der nächste Schritt ist es dann, Daten zu kombinieren und eigene Tools zu entwickeln, um immer genauere Insights und Prognosen zu erstellen. Diese können dann bei der Mediaplanung genutzt werden, um Zielgruppen mit dem höchsten ROI anzusprechen, während generative KI die Kampagnen so erweitert, dass mehr Zielgruppen auf mehr Bildschirmen angesprochen werden können.

In vielen Unternehmen paart sich im Hinblick auf KI Euphorie mit Skepsis. Wie können die Firmen eine Kultur schaffen, die verantwortungsvoll mit KI umgeht und den von dir erwähnten Test-and-Learn-Ansatz fördert?
Bernd: Ich habe neulich den Begriff „FOBO“ gelernt. „Fear of becoming obsolete“ – die Angst, überflüssig zu werden. Viele Menschen fragen sich, ob ihr Job durch KI ersetzt wird. Das schafft natürlich Zurückhaltung und Bedenken. Die Frage ist, wie begeistert man Leute dafür, KI zu testen und zu nutzen? Und wie fördert man eine Kultur des lebenslangen Lernens und der Anpassung? Als Leader muss man hier mit gutem Beispiel und dem entsprechenden Mindset vorangehen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeiten der KI aufzeigen, ihnen die entsprechenden KI-Lizenzen bereitstellen und in eine sichere Dateninfrastruktur investieren – idealerweise in eine Cloud, die Kontrolle über die eigenen Daten garantiert.
Welche Rolle spielt Google dabei, Unternehmen die Bedenken gegenüber KI zu nehmen und Vertrauen aufzubauen?
Bernd: Google engagiert sich stark im Bereich der künstlichen Intelligenz und verfolgt dabei einen umfassenden, verantwortungsvollen Ansatz. Wir entwickeln nicht nur eigene KI-Modelle, sondern auch die dafür notwendige Hardware, wie beispielsweise spezielle Chips und Rechenzentren. Diese Strategie entlang der gesamten Wertschöpfungskette ermöglicht es uns, Unternehmen als zuverlässiger und flexibler Partner zur Seite zu stehen. Zudem genießen wir bei Konsumentinnen und Konsumenten sowie Unternehmen ein hohes Vertrauen, wenn es um den Umgang mit Daten und Innovationen geht. Wir sind eine echte Alternative im Cloud-Bereich, weil wir nicht nur eine günstige Infrastruktur bieten, sondern auch die passenden KI-Anwendungen.
Neue KI-Anwendungen gibt es 2025 auch in der Google-Suche. Was genau ändert sich und wie sollten Marketer auf die neue Google-Suche reagieren?
Bernd: Die Art und Weise, wie Menschen suchen, verändert sich rasant. Sprache und Bilder werden wichtiger, neue Technologien wie KI-Brillen kommen auf und der PC wird weniger genutzt. Auch die Suchergebnisse selbst entwickeln sich weiter. Mit Übersichten mit KI bieten wir Nutzerinnen und Nutzern mehr als nur Links. Wir liefern konkrete Antworten und helfen ihnen, schneller ans Ziel zu kommen. Unsere Daten zeigen: Die Interessentinnen und Interessenten klicken trotzdem auf die Websites der Anbieter – allerdings besser vorqualifiziert. Der Traffic bricht also nicht ein. Das gilt auch für vertikale Suchen wie Shopping oder Travel. Diese Veränderungen beeinflussen auch die Suchmaschinenoptimierung (SEO). Ging es früher darum, Websites für Suchmaschinen zu optimieren, müssen Unternehmen ihren Content heute auch auf Large Language Models (LLMs) ausrichten. Es entsteht ein neuer Trend: LLMO, das ist sozusagen SEO für KI. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Marke, ihre Leistungen und Produkte in den Ausgaben führender GenAI-Modelle prominent dargestellt werden.
Hast du abschließend noch ein paar konkrete Tipps für Marketer, um KI optimal zu nutzen?
Bernd: Mein Tipp: Einfach ausprobieren! Es gibt fertige KI-Lösungen – zum Beispiel unsere AI Essentials für Google Ads –, die auch ohne KI-Kenntnisse eingesetzt werden können. Für anspruchsvollere Anwendungen braucht man eine solide Datenbasis und die passende Infrastruktur. Unsere Cloud-Lösungen bieten hier eine gute Grundlage. Vertex AI stellt eine ganze Bandbreite an KI-Lösungen zur Verfügung. Marketer sollten ihre Prozesse überdenken und KI gezielt einsetzen, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Auch der Aspekt der Nachhaltigkeit wird immer wichtiger. KI-Anwendungen benötigen viel Rechenleistung. Wie passt das mit Nachhaltigkeit zusammen und wie können wir unseren ökologischen Fußabdruck verbessern? Darauf müssen wir alle zusammen Antworten finden. Wir haben eine klare Position: Verantwortungsvolle KI ist uns wichtig. Unsere KI-Prinzipien unterstreichen dieses Engagement und helfen uns, die Zukunft der KI positiv zu gestalten.