Keith Weed, Chief Marketing and Communications Officer von Unilever und Gastautor bei Think with Google, beschreibt aus seiner Sicht den Wandel vom Massenmarketing zur massenhaften Personalisierung – und wie sich Unternehmen darauf einstellen.
Der rund um die Uhr vernetzte Verbraucher und die allgegenwärtige Technik haben dazu geführt, dass sich die Anforderungen in den Bereichen Markenaufbau, Innovation, Medien, Kreativität und Einzelhandel grundlegend geändert haben. Dieser Wandel wurde erst durch das Internet ermöglicht. Der entscheidende Faktor ist aber zweifellos das Mobiltelefon.
Durch die Nutzung von Mobilgeräten haben Verbraucher mehr Auswahl und mehr Kontrolle denn je. Dies führt zu einer außerordentlichen Segmentierung. Wir erleben einen Wandel vom Massenmarketing hin zu massenhafter Personalisierung – von der Ausrichtung auf den Durchschnittsverbraucher hin zur Fokussierung auf den Einzelnen. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass Nutzer beim Markenaufbau in Zukunft individuell angesprochen werden. Für Werbetreibende, die traditionell Marken für die breite Masse – d. h. das größte Segment – aufgebaut und vermarktet haben, bedeutet dies ein radikales Umdenken beim Marketing.
Wer sind die Nutzer von heute?
Die technikgestützten Nutzer von heute bestimmen immer mehr, welche Markenbotschaften sie erhalten und wie sie Marken kaufen. Sie greifen ganz selbstverständlich zum Smartphone, um sich zu informieren oder etwas zu kaufen, und erwarten zunehmend, dass sie schnell und bequem relevante Antworten von Unternehmen erhalten.
"Nutzer werden beim Markenaufbau in Zukunft individuell angesprochen."
Die Suche spielt hier eine zentrale Rolle. Denn sie fungiert als eine Art Filter, der es dem selbstbestimmten Nutzer ermöglicht, überall und jederzeit das Gewünschte zu erhalten. Heutzutage können sich Verbraucher – mich selbst eingeschlossen – gar nicht mehr vorstellen, wie sie ohne das Smartphone Dinge erledigen konnten.
Daraus ergeben sich zwei Besonderheiten, die für den Nutzer von heute charakteristisch sind: Dringlichkeit und Relevanz. So haben seit 2015 Suchanfragen mit dem Begriff "open now" (jetzt offen) um das Dreifache und mobile Suchanfragen mit "same-day shipping" (Versand am selben Tag) um mehr als 120 % zugenommen. Auch im Hinblick auf Relevanz steigen die Erwartungen zusehends. Seit Anfang dieses Jahres ist die Zahl der lokalen Suchanfragen ohne die Angabe "near me" (in der Nähe) größer geworden als die entsprechender Suchanfragen mit diesem Zusatz.
Was bedeutet das für Marken und Unternehmen?
Unternehmen können nur dann eine Rolle im Leben des selbstbestimmten Nutzers spielen, wenn sie in der Lage sind, dessen Bedürfnisse vorausschauend zu erkennen und ihnen gerecht zu werden. Ganz im Gegensatz zu früher, als sich insbesondere Hersteller von Verbrauchsgütern wie etwa Unilever beim Markenaufbau auf die breite Masse fokussiert haben, müssen die Botschaften von Unternehmen heutzutage relevant, persönlich und auf den jeweiligen Nutzer abgestimmt sein. Und all das in Echtzeit, kontextgerecht und in der entsprechenden Sprache.
"Bei Unilever möchten wir letztendlich eine Milliarde individueller Kundenbeziehungen aufbauen. Ich glaube nicht, dass die Fokussierung auf den Einzelnen gleichbedeutend mit Nischenorientierung ist."
Dabei bietet sich Unternehmen eine ausgezeichnete Möglichkeit, potenziellen Kunden das Leben in unserer komplexen Welt zu erleichtern und die gewaltige Auswahl überschaubarer zu machen. Man denke nur daran, wie lange der Einkauf in einem unbekannten Supermarkt dauert, bei dem man die angebotenen Marken nicht kennt. Ebenso können Unternehmen dazu beitragen, die Onlinewelt mit ihrem schier unbegrenzten Angebot an Inhalten zu vereinfachen, damit Nutzer den Überblick behalten.
Was sollten Werbetreibende tun?
Es mag schwierig erscheinen und ist sicherlich nicht immer einfach, sich den Herausforderungen dieser neuen Welt zu stellen. Ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass die Marketingtätigkeit heute interessanter denn je ist. Aber was bedeutet all das für die tägliche Arbeit von Werbetreibenden? Es hat meiner Meinung nach drei praktische Konsequenzen.
- Stellen Sie die Nutzer in den Mittelpunkt. Analysieren Sie die komplexen Kaufprozesse von heute anhand von Daten und überlegen Sie sich, wo Sie mit Ihrer Marke präsent sein sollten, um die besten Ergebnisse zu erzielen. Orientieren Sie sich immer am Nutzer und sprechen Sie ihn individuell an.
- Richten Sie den Blick auf das Wesentliche und bauen Sie Begeisterung für die Marke auf, indem Sie eine bedeutungsvolle Idee unterstützen. Denn Nutzer möchten nicht einfach ein Produkt kaufen – es geht ihnen auch um die Idee. Millennials und Angehörige der Generation Z geben immer wieder zu erkennen, dass sie Unternehmen mögen, die sich einer Aufgabe verschrieben haben und Gutes für die Welt leisten. Wenn diese Aufgabe klar ist, können Unternehmen überzeugende Nutzererfahrungen schaffen, die für einen viel längeren und umfassenderen Dialog sorgen als die Diskussion über eine neue Produktvariante oder eine saisonale Werbeaktion.
- Verbinden Sie die datengetriebene Nutzeranalyse mit ansprechenden und aussagekräftigen Anzeigen, um in großem Maßstab eigehende individuelle Beziehungen aufzubauen. Marketing ist die Verbindung von Kreativität und Logik, von Kunst und Wissenschaft. Mit den zur Verfügung stehenden Daten war für uns als Werbetreibende der logische Teil unserer Arbeit nie einfacher als heute. Aber mehr denn je ist auch Kreativität gefragt, um Nutzer auf sich aufmerksam zu machen. Bei Unilever möchten wir unendlich viele individuelle Kundenbeziehungen aufzubauen. Ich glaube nicht, dass die Fokussierung auf den Einzelnen gleichbedeutend mit Nischenorientierung ist.
Durch die Mobiltechnologie haben sich Kommunikation und Handel sowie die Beziehungen zwischen Unternehmen und Nutzern grundlegend und unumkehrbar geändert. Und da noch immer die halbe Menschheit nicht in die Onlinewelt eingebunden ist, stehen wir erst am Anfang. Die Zukunft gehört denjenige Unternehmen, die eine Vorreiterrolle einnehmen und online wie offline optimal für ihre Kunden da sind.