Pablo Pérez und Georgie Altman sind Google-Experten für den Einzelhandel. Im Folgenden berichten sie von ihrer aktuellen Studie und werfen einen Blick in die Zukunft. Sie zeigen, wie sich der Einzelhandel in den kommenden fünf Jahren weiterentwickeln könnte.
Solch chaotische Zeiten haben Einzelhändler mit Sicherheit noch nie erlebt. Während es für die meisten seit Monaten ums wirtschaftliche Überleben geht, verzeichnen einige Einzelhändler enormes Wachstum aufgrund unvorhergesehener Nachfrage in neuen und unerwarteten Bereichen. Die Realität ist zwar, dass wir aus diesem Krisenmodus noch nicht ganz herausgekommen sind. Zugleich ist es aber an der Zeit darüber hinaus zu denken, damit Sie Ihr Unternehmen wieder auf Erholung und Wachstum einstellen können.
Wir haben bereits vor der Coronakrise über dieses Thema nachgedacht: Wie könnte die Zukunft des Einzelhandels in den verschiedenen Märkten in den nächsten fünf Jahren aussehen? Um diese Frage zu beantworten, führten wir gemeinsam mit Euromonitor eine große, auf den Einzelhandel konzentrierte Studie durch. Dabei interessierte uns vor allem der Umsatz von Geschäften, E-Commerce und Marktplätzen der verschiedenen Einzelhandelsbranchen in zehn globalen, hoch entwickelten Märkten.
Die Bedeutung eines integrierten Online- und Offline-Angebots
Obwohl die Digitalisierung durch die Krise beschleunigt wurde und die Online-Umsätze steigen, erfolgen die meisten Käufe auch 2024 voraussichtlich immer noch offline (78 % offline im Vergleich zu 22 % online).1 Es ist jedoch vermutlich hilfreich, sich nicht nur darauf zu konzentrieren, welche Kanäle von Kunden zum Kauf genutzt werden, sondern auch darauf zu achten, welche Typen von Einzelhändlern sie wählen. Die Studie belegt, dass Einzelhändler mit überzeugendem digitalen Angebot in den nächsten fünf Jahren ihren Umsatz auch dann steigern werden, wenn Kunden weiterhin den Kauf im Geschäft vorziehen.2 Dies unterstreicht, wie wichtig der nahtlose Übergang zwischen Online und Offline in einem integrierten Einkaufserlebnis ist.
Bis 2024 werden 53 % des Umsatzes von Einzelhändlern erwirtschaftet, deren Geschäftsmodell ein digitales Angebot umfasst.3 Sollten strenge Corona-Maßnahmen verlängert oder wieder eingeführt werden, könnte dieser Wert auf 56 % steigen, da die Kunden weiter eher online statt im Geschäft einkaufen.4 In stärker digitalisierten Märkten (Vereinigtes Königreich, USA) entfallen sogar zwei Drittel des gesamten Umsatzes auf Einzelhändler mit digitalen Kanälen.5
Wie könnte sich das Wachstum im Einzelhandel langfristig verlagern?
Das Einzelhandelssystem ist komplex. Einzelhändler mit digitalen Angeboten gibt es in unterschiedlichen Formen. Hierzu zählen etwa Einzelhändler, die einen Großteil ihrer Umsätze in den Geschäften erzielen, aber bereits mit der digitalen Transformation begonnen haben. Auch Marktplatz-Einzelhändler, die durch multinationale und lokale Akteure mit größeren Marktanteilen in den nächsten fünf Jahren in den meisten Märkten weiter wachsen werden, fallen in diese Gruppe. Dasselbe gilt für reine Online-Einzelhändler, die ihr Angebot zunehmend diversifizieren und darüber hinaus auch auf Geschäfte und Verkaufsstellen setzen.
Als Nächstes wollten wir analysieren, wie sich das Wachstum all dieser Formate zukünftig entwickeln könnte. Würde es sich auf den Marktanteil auswirken? Wie könnte es in einem Zeitraum von fünf Jahren umverteilt werden? Würde es in den verschiedenen Märkten variieren? Wir prognostizierten im Rahmen unserer Studie die Änderungen des Marktanteils anhand des Einzelhandelsformats.6 Ausgehend vom Euromonitor-Modell rechnen wir mit folgenden Entwicklungen:
- starker Rückgang der Einzelhändler ohne Online-Angebot in allen Märkten
- größerer Marktanteil für Einzelhändler mit hohem Umsatz in Ladengeschäften (Einzelhändler mit 5 bis 35 % E-Commerce-Umsatz) in den meisten Märkten
- begrenztes Wachstum für reine Online-Händler in nahezu allen Märkten bei einsetzender Diversifizierung der Angebote, etwa durch Ladenöffnungen
- erheblicher Anstieg des Marktanteils von Marktplätzen in nahezu allen Märkten
Für Deutschland stellt sich die Situation folgendermaßen dar (Änderungen im Omnichannel < 2 Prozent):
3 Trends für Ihre langfristige Strategie
Bei der Untersuchung der Frage, wie sich Einzelhändler aller Formate auf diese Verschiebung der Marktanteile vorbereiten können, haben wir drei Trends ermittelt. Diese Erkenntnisse zum Konsumentenverhalten können Ihnen helfen, eine langfristig erfolgreiche Marketingstrategie zu entwickeln.
- Da die Kunden sowohl online als auch in Geschäften einkaufen, werden Multichannel-Formate (einschließlich der Einzelhändler, die den Großteil ihres Umsatzes in Geschäften erzielen, und der gemischten Einzelhändler) und Marktplatzformate für 86 % des Umsatzwachstums in den nächsten fünf Jahren verantwortlich sein.
- Die Coronakrise hat dazu geführt, dass Kunden zunehmend online und offline einkaufen. 73 % von ihnen bezeichnen sich selbst als „Kanalagnostiker“, im Vergleich zu 65 % vor der Krise.8 Kunden erwarten besser integrierte, nahtlose Angebote und nutzen weiter beide Kanäle für ihre Einkäufe.
- Kaufentscheidungen werden zunehmend komplizierter. Daher erwarten Kunden hilfreiche Informationen als Grundlage ihrer Entscheidungen, beispielsweise wettbewerbsfähige Preise, sachliche und unaufdringliche Empfehlungen sowie hilfreiche Personalisierungen.
Multichannel- und Marktplatzformate sorgen in den kommenden 5 Jahren für 86 % des Umsatzanstiegs.
Wie Sie sich auf die Zukunft des Einzelhandels vorbereiten
In den nächsten fünf Jahren werden Kunden weiterhin in Geschäften einkaufen. Da aber die Online-Ausgaben weiter steigen, müssen Einzelhändler ihre Online- und Offline-Angebote miteinander verbinden, wenn sie ihre Umsätze optimieren möchten. Kunden ziehen Einzelhändler mit einem digitalen Angebot vor. Dies gilt auch dann, wenn die eigentliche Transaktion im Geschäft stattfindet. Wir haben in diesem Jahr gelernt, dass der Wandel die einzige Konstante ist. Darauf müssen die Einzelhändler auch im kommenden Jahr vorbereitet sein. Folgendes sollten Sie immer im Hinterkopf haben:
- Die Verbraucher stehen vor einer überwältigenden Auswahl. Einzelhändler sollten ihnen daher hilfreiche Informationen zur Verfügung stellen, die sie befähigen, selbstbewusst eigene Entscheidungen zu treffen. Dieser Aspekt wird in Zukunft immer wichtiger.
- Einzelhändler werden sich in Zukunft nicht mehr zwischen Ladengeschäft und Online-Präsenz entscheiden. Sie werden sich auch nicht mehr darauf konzentrieren, wo die Interaktion stattfindet, sondern darauf, ein integriertes Online- und Offline-Angebot bereitzustellen.
- Einzelhändler müssen den steigenden Erwartungen der Kunden gerecht werden und nahtlose Einkaufserlebnisse bieten. Es gibt kein Zurück: Weitere Investitionen in die digitale Transformation sind unausweichlich.