Fakt ist: Viele Verbraucherinnen und Verbraucher kaufen heute anders ein als früher. Statt zu einem bestimmten Zeitpunkt auf einem bestimmten Kanal nach einem bestimmten Artikel zu suchen, entdecken und kaufen sie neue Produkte und Dienstleistungen, während sie Videos streamen, auf Social-Media-Kanälen surfen oder in die Gamingwelt eintauchen. Die Folge: Einzelhändlerinnen und -händler sollten ihre Kundinnen und Kunden an allen möglichen Touchpoints begeistern – sei es im Laden, im Online-Shop, in Apps, in den sozialen Medien oder in der Virtual Reality.
Im vergangenen Jahr untersuchte die Google Omnichannel Excellence Study (GOES), worauf Kundinnen und Kunden beim Omnichannel-Erlebnis Wert legen. Dabei wurde deutlich: Aus Sicht von Verbraucherinnen und Verbrauchern ist Omnichannel „the new normal“. Aber noch immer gibt es häufig eine Lücke zwischen dem von Käuferinnen und Käufern erwarteten nahtlosen Omnichannel-Erlebnis und dem, was Händlerinnen und Händler ihnen bieten. Gleichzeitig entwickeln sich die Anforderungen der Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch die technischen Möglichkeiten rasant weiter.
Für Händlerinnen und Händler ist es nicht immer leicht zu entscheiden, auf welche Trends sie aufspringen sollten. Orientierung bietet die diesjährige Google Omnichannel Future Study (GOFS). Die Studie zeigt, was Unternehmen in Zukunft leisten sollten, um den Omnichannel-Erwartungen ihrer Kundinnen und Kunden gerecht zu werden. In Zusammenarbeit mit dem IFH Köln und dem Handelsverband Deutschland (HDE) befragte Google insgesamt 33 Omnichannel-Entscheidende und Meinungstragende aus Handel, Industrie, Forschung und Beratung zum Thema „Gegenwart und Zukunft von Omnichannel“. Daneben wurde eine Online-Umfrage unter rund 3.100 Konsumentinnen und Konsumenten in Deutschland durchgeführt.
Insgesamt kristallisierten sich drei Trends für Retailer heraus, die die nächsten fünf Jahre deutlich prägen werden:
Do not babysit your customers: Autonome Kund*innen erwarten Hilfe zur Selbsthilfe
Kundinnen und Kunden wollen ihre Customer Journey selbst bestimmen und jederzeit autonom zwischen stationären und digitalen Kanälen wechseln. Das gilt vor allem für die jüngere Generation: Während Millennials und die Gen Z in ihrer Customer Journey im Schnitt 3,6 bzw. 3,3 Kanäle nutzen, sind es bei der Generation 58+ nur 2,3 Kanäle.1 Die Gen Z und die Millennials sind es auch, die die Standards von morgen bestimmen und beim Einkauf noch mehr Convenience und Zeitersparnis erwarten.
Den Wechsel zwischen den Kanälen sollten Händlerinnen und Händler ihren Kundinnen und Kunden so leicht und intuitiv wie möglich machen. Omnichannel-Services wie Verfügbarkeitsanzeigen, Konfiguratoren oder Planungstools im Online-Shop und Recherchemöglichkeiten über das Smartphone in der Filiale unterstützen das Autonomiebestreben, sollten intuitiv gestaltet und den Kundinnen und Kunden gegenüber gut kommuniziert werden. Gleichzeitig erwarten Verbraucherinnen und Verbraucher von Unternehmen aber auch unmittelbare Hilfe, wenn sie an einer Stelle ihrer Customer Journey nicht mehr weiterwissen. Über Live-Beratung im Online-Shop oder mit Devices, um in den Filialen Verfügbarkeiten, Lieferzeiten oder alternative Produkte recherchieren zu können, positionieren sich Händlerinnen und Händler als Problemlöser, Wegbegleiter und unterstützende Instanz.
Der starke Wunsch nach Selbstbestimmung führt allerdings auch dazu, dass Konsumentinnen und Konsumenten manchmal besser über spezifische Produktdetails informiert sind als die Verkäuferinnen und Verkäufer auf der Fläche. Um ihnen im persönlichen Kontakt dennoch einen Mehrwert bieten zu können, hat die Elektrofachmarktkette MediaMarktSaturn einen neuen Service eingeführt: Ausgebildete Technikerinnen und Techniker unterstützen die Kundschaft auf Wunsch beispielsweise bei der Einrichtung und Installation ihres neuen Fernsehers zu Hause. Im nächsten Schritt soll dieser Service auch online angeboten werden. „So können Kundinnen und Kunden optimal durch den Prozess geführt werden, das Erlebnis mit der Marke wird persönlicher, und gleichzeitig verleihen wir unserer Kundschaft mehr Autonomie, um Dinge selbst in die Hand nehmen zu können“, sagt Andreas Blase, Geschäftsführer MediaMarktSaturn Technology GmbH.
Innovate to lead in omnichannel: Perfektionismus ist der Feind des Guten
Die Halbwertszeit von Innovationen sinkt zunehmend, vor allem bei jüngeren Kundinnen und Kunden. Was heute noch als Innovation wahrgenommen wird, ist morgen schon ein Hygienefaktor. Händler sollten ihre Konsumentinnen und Konsumenten daher immer wieder aufs Neue mit Omnichannel-Innovationen begeistern. Das heißt: Kundenbedürfnisse verfolgen und lesen, sich vom Wettbewerb inspirieren lassen, eigene Marktforschung betreiben, Innovationen testen, den Erfolg messen und weiter optimieren.
Karsten Kühn, CMO der Baumarktkette Hornbach, bringt es auf den Punkt: „Für ein Handelsunternehmen geht es bei der Implementierung von neuen Technologien und Services zunächst um zwei Fragen: Worauf kommt es an? Was bringt es den Kundinnen und Kunden? Ein Beispiel der letzten zehn Jahre ist das Thema ‚mobile first‘. Unser Online-Shop musste frühzeitig für die Nutzung auf dem Smartphone angepasst werden, weil die Kundinnen und Kunden sich so informieren und einkaufen wollen. Dann kam noch die App dazu, mit der Online- und stationäres Einkaufserlebnis nahtlos verknüpft werden. In diese Richtung müssen wir weiterdenken, immer den Fokus auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden.“
Um Innovation im Unternehmen zu fördern, müssen entsprechende Organisationsstrukturen geschaffen werden. Damit das funktioniert, müssen Unternehmen umdenken. Gefragt sind innovative Organisationsstrukturen und der Mut, Dinge auszuprobieren und Risiken einzugehen. Stephanie Wölfel, Head of Digital Business bei Ernsting’s Family, ist überzeugt: „Wenn man Fehler macht, heißt das, dass man überhaupt etwas macht. Fehler sind wichtig, um daraus zu lernen und sich im Omnichannel weiterzuentwickeln. Kundinnen und Kunden tatsächlich in den Mittelpunkt zu stellen, darum geht es!“
Connect or lose: Das Zeitalter echter Kundenzentrierung hat erst begonnen
Eine weitere zentrale Erkenntnis aus der GOFS: Kundinnen und Kunden lassen sich kaum lenken. Sie bestimmen, wo sie sich informieren und wo sie kaufen – und erwarten von Händlerinnen und Händlern Kundenzentrierung auf allen Kanälen. Besonders wichtig: Sie priorisieren im Kaufprozess kanalübergreifend die gleichen Kriterien. Das heißt für Retailer: Sie sollten das Ladengeschäft genauso fit machen wie den E-Commerce. Um ein wirklich kundenzentriertes „Kanal egal“-Erlebnis zu bieten, sollten die meisten Händlerinnen und Händler ihre Kundschaft besser verstehen und vor allem ihre Strategien zur Datenmessung erweitern. Andrea Lederer, Director eCom & Omnichannel bei Douglas, setzt auf ein erweitertes KPI-Set, um die eigenen Omnichannel-Bemühungen besser bewerten zu können. „Dabei betrachten wir den gesamten Einkaufsprozess der Kundinnen und Kunden und evaluieren, wie wir diesen durch Omnichannel-Maßnahmen optimieren können“, erklärt sie. „Spannend sind hier natürlich auch die Möglichkeiten, die uns Google bietet, um die Conversion der einzelnen Schritte in der Customer Journey kanalübergreifend zu messen.“
Die Basis für effiziente, automatisierte Datenprozesse und -ableitungen in Unternehmen werden in Zukunft KI und Machine Learning bilden. Sie werden große Teile der Datenverarbeitung, Datenverknüpfung und Dateninterpretation vollautomatisch in Echtzeit übernehmen. Auf diese Weise wird echte Kundenzentrierung Wirklichkeit: KI-verknüpfte Kanäle und Touchpoints ergeben ein klares Abbild von den Kundinnen und Kunden und ihren Bedürfnissen. Auf Basis dieser Daten können Retailer diese im Marketing zielgerichtet und agil personalisiert ansprechen und damit die eigene Werbeeffizienz verbessern. Und im Bereich der Strategiefindung und -kontrolle können Unternehmen in Echtzeit auf Logistikdaten, Sortimente, KPIs und weitere Performance-Indizes zurückgreifen.
Eine zentrale Rolle im kundenzentrierten Omnichannel-Handel der Zukunft spielt das Smartphone, denn als Hyperconnector verknüpft es über Apps alle Touchpoints miteinander. In die App integrierte Kundenkonten und Bonusprogramme entanonymisieren die Kundendaten und helfen über digitale Services wie QR-Code-Scans am Regal oder virtuelle Anproben dabei, weitere Daten über sie zu generieren. Auf diese Weise können Händlerinnen und Händler die Bedürfnisse ihrer Kundschaft noch zielgerichteter und personalisierter erfüllen und sich als unentbehrlichen Begleiter ihrer Kundinnen und Kunden im Alltag positionieren.
Damit dies gelingt, sind drei Erfolgskriterien besonders relevant:
- ein Omnichannel-Mindset für eine kanalübergreifende Erfolgsattribution
- KI und Machine Learning für Automatisierung, Prognosen und Modellierung
- Messverfahren, um Datensilos aufzubrechen und Omnichannel-KPIs zu definieren
Tchibo hat die Bedeutung einer übergreifenden und kundenzentrierten Unternehmenssteuerung bereits erkannt: „Kern ist es, die Kundinnen und Kunden und nicht den Kanal in den Mittelpunkt zu stellen und so eine integrierte End-to-End Customer Journey zu schaffen und diese auch zu steuern“, erklärt Juliane Tern, Director Strategy Omnichannel & Consumer Intelligence bei Tchibo.
Fit für die Zukunft: Top-Tipps für Omnichannel-Händler*innen
Aus den Key-Trends der kommenden drei bis fünf Jahre, die die Google Omnichannel Future Study für den Omnichannel-Handel herauskristallisiert hat, leiten die Studienautorinnen und -autoren drei relevante Handlungsempfehlungen für Händler ab:
- Autonomie im Fokus: Omnichannel wird für nachwachsende Kundengruppen immer wichtiger. Eine autonome Kundenerfahrung wird zukünftig zentral. Händler sollten deshalb Maßnahmen und Services danach bewerten, ob sie die Autonomie ihrer Kundinnen und Kunden steigern.
- Keine Angst vor Innovationen: Omnichannel-Services, die auf Convenience, Zeitersparnis und Autonomie ausgerichtet sind, punkten bei der jüngeren Generation. Sie werden schnell adaptiert und zum neuen Standard. Deshalb führt für Händler kein Weg an der Transformation zu einer Innovationsorganisation vorbei, die dieses Tempo mitgehen kann.
- Erfolge messen und Daten miteinander verknüpfen: Omnichannel bedingt eine kanalübergreifende Erfolgsmessung. Daher müssen Händler in der Lage sein, alle Touchpoints zu verbinden. KI kann helfen, diese Daten zu verknüpfen, wobei das Smartphone als Hyperconnector die Brücke zwischen den Welten schlägt.
Wenn Händlerinnen und Händler ihre Weichen jetzt konsequent auf kundenfokussierten, KI-gestützten Omnichannel-Handel stellen, werden sie auch morgen erfolgreich sein.